Klondike
warfen mich über Bord an Land ... von ihnen hat’s keiner geschafft ...« Ihre Stimme verlor sich, und trotz Lutons Versuch, den geschwächten Körper zu halten, glitt er ihm aus den Händen auf den Uferboden. Alle Kraft war aus ihm gewichen.
Harry kümmerte sich um sie, wusch, während sie noch ohnmächtig dalag, mit Seewasser ihr verschmutztes Gesicht und trocknete ihre Stirn mit dem Ärmel. Er wies die anderen an, das Ufer abzusuchen, vielleicht waren die Leichen oder auch Reste der Ausrüstung angeschwemmt worden, aber nichts war übriggeblieben. Noch ehe sie wieder bei Besinnung war, hatte Harry die anderen schon soweit, daß sie sich überlegten, welches Hemd sie der Schiffbrüchigen wohl überlassen konnten, und als er sie mit einem leichten Schlag gegen die Wange wieder aufgeweckt hatte, war bereits alles in die Wege geleitet. Als sie all die Geschenke sah und ihr endlich klar wurde, daß sie tatsächlich dem Tod entronnen war, brach sie in Tränen aus. »Wo kann ich mich umziehen?« fragte sie und deutete den fünf Männern an, sich so aufzustellen, daß sie einen Kreis um sie bildeten, aber dann ließ Harry mit seiner väterlichen Stimme verlauten: »Ich bin verheiratet und habe eine Tochter. Die anderen sollen ein Stück weiter gehen« und half ihr, in die trockene Kleidung zu schlüpfen.
Fogarty hatte in der Zwischenzeit ein Feuer angezündet, und als sie jetzt den Tee entgegennahm, den Trevor Blythe bereitet hatte, umklammerte sie die Tasse mit beiden Händen und fing an, ihre traurige Geschichte zu erzählen: »Wenig Geld, aber große Hoffnungen. Landwirtschaft in Dakota, arm, sehr arm. ›Eine Tonne Gold ...‹ Wir haben’s in der Zeitung gelesen und sind übergeschnappt .«
»Und am Ende«, unterbrach Luton, »standen Sie ganz allein da? Zwei Tage lang am Ufer in der Kälte?«
»Ja«, kam die Antwort.
»Und nichts . nichts an Land gespült?«
»Es war ein schrecklicher Sturm. Es ist alles verloren, das sehen Sie doch.«
»Wie sind Sie überhaupt nach Edmonton gekommen?« wollte Harry wissen, aber sie wich der Frage aus. »In Athabaska waren diese vier netten Deutschen. Wir hatten nicht viel Geld, aber sie überließen uns trotzdem ein Boot. Kein großes, aber immerhin. Keiner von uns hatte jemals im Leben ein Boot gelenkt, also brachten sie es uns bei. Dann haben wir es für fast nichts von ihnen gekauft.« Sie zögerte einen Moment: »Einer der Deutschen flehte mich an, nicht zu fahren. Er warnte, es würde eine Strapaze, riet mir, wieder nach Hause zu fahren, und als wir dann doch lossegelten, sah ich, wie er sich bekreuzigte.«
»Was haben Sie gemacht, als Sie merkten, daß Sie in eine Notlage geraten waren?« fragte Luton, immer interessiert, mehr über das menschliche Verhalten im Unglück zu erfahren, und sie entgegnete: »Ich habe geweint und für Steno gebetet. Mir wurde klar, daß ich keine trockene Kleidung besaß, keinen Proviant ... daß ich völlig allein war.«
»Und danach? Ich meine, was haben Sie dann gemacht?« Ihre Antwort offenbarte den standhaften Charakter, der Philip bereits an jenem Abend aufgefallen war, als er zum erstenmal in ihre stahlblauen Augen geblickt hatte. »Ich sagte mir: ›Keine Panik, Mädchen. Entweder sie finden dich, oder sie finden dich nicht.‹ Um warm zu bleiben, sprang ich auf und ab.«
»Und? Gerieten Sie in Panik?«
»Bei Tagesanbruch, heute morgen. In der Nacht hatte ich keine Angst, aber als ich das erste Tageslicht sah und mir wieder deutlich wurde, daß kein Mensch wußte, wo ich abgeblieben war, da dachte ich: Vielleicht werde ich noch wahnsinnig . keiner . kein einziger.«
Lord Luton, als Anführer der Expedition imstande, schnelle Entscheidungen zu treffen, ohne sich mit den anderen zu beraten, verkündete: »Wir müssen weiter, bevor uns das Eis einholt. Sie können sich uns anschließen, aber nicht bei uns bleiben. Wir werden versuchen, unterwegs ein Handelsschiff Richtung Süden abzupassen, das wird Sie in Sicherheit bringen.«
»Was soll ich denn machen?«
»Ich bin sicher, in Edmonton wird sich eine Möglichkeit finden. Von dort kommen Sie leichter zurück nach Dakota.«
Was sie darauf erwiderte, überraschte die Männer: »Nein! Ich bin wegen des Goldes gekommen, und ich werde Gold finden!« Luton fühlte sich durch diese Aussage, vorgebracht zudem in solch einer Situation, wie vor den Kopf geschlagen, und er trat mit strengem Gesichtsausdruck vor sie hin: »Ich will nichts davon wissen. Sie sind nur deswegen dem sicheren
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