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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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Forschungsgemeinschaften, die durch zersetzende Kräfte auseinandergebrochen waren. In seinem Kummer wandte er sich an Harry und bat ihn zu einer Unterredung auf dem hinteren Deck des Schiffes. »Hast du schon mal in alten Geschichtsbüchern geblättert und was über diesen Burschen namens Bligh gelesen, einer von der üblen Sorte? Wie er sein Schiff verloren hat, das den Auftrag hatte, Brotfrüchte von Tahiti nach Jamaika zu transportieren?«
    »Klar kenne ich die Geschichte.«
    »Soll ich dir sagen, was ihn erledigt hat? Eingeborene Frauen, die seine Matrosen becirct hatten. Aber hast du die Geschichte auch weiterverfolgt? Weißt du, was dann passiert ist? Nachdem die Meuterer auf eine kleine Insel geflüchtet waren?«
    Harry wußte es nicht. Die Fortsetzung dieser tragischen Begebenheit war allgemein weniger bekannt, aber Luton wußte, wie es weitergegangen war. »Dasselbe noch mal! Die englischen Matrosen fanden sich eigentlich ganz gut zurecht, wenn man die Sache mit der Meuterei mal beiseite läßt, aber sie gerieten wiederum in Streit, diesmal über die eingeborenen Mädchen. Ich glaube sogar, sie haben sich gegenseitig umgebracht. Keiner hat überlebt.«
    Die beiden Veteranen unterhielten sich noch eine Weile über diese Geschichte. Sie waren sich einig, eine Frau an Bord, eingepfercht mit fünf Männern in einer engen Hütte, und das einen ganzen Winter lang, bedeutete, ein Risiko einzugehen, ein höchst gefährliches Risiko, ja, Lord Luton ging sogar noch weiter, zeigte mit dem Finger auf den Schiffsbug, wo Irina saß, ihr silbriges Haar im Wind flatterte, und sagte: »Daß gerade diese Frau bei uns ist, das ist kein Risiko mehr, das ist glatter Selbstmord. Ich kann mir schon lebhaft vorstellen, wie zuerst Philip und Trevor sich um sie prügeln, und am Ende, ich sag’s dir, wären wir beide die Kontrahenten. Und sie? Sie würde die ganze Zeit seelenruhig wie eine Circe in der Hütte sitzen, unentwegt grinsen, ihr Haar bürsten und sich aushecken, wie sie uns gegenseitig ausspielen kann, bis wir vor ihr im Staub kriechen.« Seine Angst davor, was Irina anrichten könnte, hatte einen so gewaltigen Zorn in ihm erregt, daß er zu keinem klaren Gedanken mehr fähig war.
    Sie machte es ihm aber auch nicht leicht. Übereifrig, wie um zu demonstrieren, daß sie den Männern keine Belastung sein wollte, fand sie immer neue Mittel und Wege, ihre Hilfsbereitschaft unter Beweis zu stellen, und übernahm mehr als nur die üblichen Pflichten: Sie kochte die Mahlzeiten, hatte Harry erst einmal die Rationen eingeteilt, die er allein bestimmte; sie räumte anschließend den Tisch ab; sie stellte sich erstaunlich geschickt an, den Männern aus dem Weg zu gehen, die gerade ihren Dienst an der Takelage versahen; und was sie auch tat, immer trug sie diese Haltung aus Verantwortungsbewußtsein und Ernsthaftigkeit zur Schau, gelegentlich unterbrochen von einem strahlenden Lächeln, das sich über ihr ganzes kantiges Gesicht auszubreiten schien; kurzum, sie hatte es verstanden, sich unentbehrlich zu machen. Sie war der ideale Kumpel.
    Genau darin erkannte Lord Luton aber das Problem, denn er mußte mit ansehen, wie sie durch ihr tadelloses Benehmen nicht nur den jugendlich ungestümen Trevor Blythe für sich gewinnen konnte, der ihr Gedichte aus der Sammlung von Palgrave vorlas, sondern auch Harry Carpenter, einen Mann mit Frau und Kind, den er eigentlich für klüger gehalten hätte. Ihre freiwillig übernommenen Pflichten erfüllt, schritt sie zum vorderen Teil des Bootes, »wo sie jeder einfach sehen muß«, murrte Luton vor sich hin, »nimmt ihre Mütze ab und läßt ihr wunderschönes Haar im Wind tanzen«. In solchen Momenten erblickte er in ihr eine der Sirenen, die nicht im Bug seines Bootes, sondern draußen auf einem zerklüfteten Felsen kauerte, auf den sie seine Männer zu locken versuchte, um sie dort ihrem Untergang preiszugeben. In seiner Phantasie stattete er sie noch mit einer Leier aus, mit der sie ihre Verführungskünste noch verstärkte.
    Sogar Fogarty erwies sich als nicht gefeit gegen ihre Reize, und eines Abends ertappte Luton ihn dabei, wie er sie mit schmelzendem Blick anstarrte, als sie gerade dabei war, ihr Haar zu kämmen. »Fogarty!« schnauzte Luton ihn an. »Kümmern Sie sich um das Segel!« Die Antwort des Iren klang betrübt: »Sie erinnert mich an meine Frau, an Jenny.« Luton, erbost über diese Unverschämtheit seines zukünftigen Jagdaufsehers, setzte schon an, um ihn mit einer Ohrfeige zur

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