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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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obwohl selbst noch nicht verheiratet, war Lord Luton fest davon überzeugt, daß der »Ältestenrat« seiner Familie zu gegebener Zeit auch für ihn eine junge Frau von untadeligem Ruf erwählen würde. Die Vorstellung, sich »zu verlieben«, lag ihm fern, für ihn gab es nur ein »In-den-Stand-der-Ehe-Treten« nach den Regeln, die die umsichtigen Männer seiner Familie vor langer Zeit einmal aufgestellt hatten.
    Insofern stellte Irina Kozlok eine Bedrohung dar, sie war ein ungebildetes Frauenzimmer, und außerdem . woher kam sie überhaupt? Sich einen so unbedeutenden Namen wie Norddakota zu merken, hatte Luton nicht für notwendig gehalten. Seine durch die Familientradition auf ihn übergegangene Verpflichtung sah er darin, dafür zu sorgen, daß sein Neffe, ein Bradcombe, sich nicht mit dieser Frau einließ, jedenfalls nicht in stärkerem Maße als durch den unglücklichen Zufall bereits geschehen, es würde doch nur zu Verwicklungen führen. Da Harry mehr oder weniger auch zur Familie gehörte, er war mit einer Bradcombe verheiratet, weihte Luton ihn in seine Pläne ein. »Harry, wir müssen diese Person irgendwie von Bord schaffen. Um den jungen Philip zu schützen.«
    »Sehr vernünftig, Evelyn. Sie ist eine echte Gefahr.«
    »Wie weit ist es bis zur nächsten Siedlung? Egal, welche.«
    »Wenn ich mich recht entsinne, ist Fort Norman die nächste.
    Wir können es schaffen bis dahin. Ich meine, bevor der Frost einsetzt.«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann liegt die Sache klar auf der Hand. Wir hätten sie den Winter über am Hals.«
    »Ach du meine Güte.«
    Am Nachmittag desselben Tages bestätigten sich ihre Befürchtungen, als sie zufällig mitbekamen, wie Irina zu Philip sagte: »Das ist aber ein feines Paar Stiefel, das Sie da haben. Ich finde nur, sie sind zu sehr auf Hochglanz poliert. So etwas trägt man, wenn man mit reichen Leuten einen Anglerausflug unternimmt, und nicht, um in der Arktis im Schneematsch herumzustapfen.«
    »Meinen Sie wirklich?« fragte er eifrig, ihr zu gefallen, und sie entgegnete: »Aber ja. Was Sie brauchen, sind schwere Lederstiefel, sehen Sie, so wie meine.« Als er kurz darauf seinen Onkel und Carpenter fragte: »Meint ihr auch, es wäre vielleicht besser, ich würde Lederstiefel tragen?«, konnten die beiden ihre Verärgerung kaum verbergen, denn in Edmonton hatten sie ihm wegen derselben Sache die Leviten gelesen, aber er hatte nicht auf sie hören wollen. Jetzt kam diese Amerikanerin daher und warnte ihn noch einmal, nur mit einem Lächeln im Gesicht, und schon schmolz der Trottel dahin.
    Luton war aufrichtig empört über das Verhalten seines Neffen und flüsterte Carpenter zu: »Harry, wir müssen etwas unternehmen, bevor es zu spät ist.« Aber was, wußte er auch nicht zu sagen. Bei einer ihrer Beratungen machte er den dreisten Vorschlag: »Wenn die anderen gerade mal nicht hinschauen, werfen wir das Mädchen einfach über Bord.«
    Aber kaum war das letzte Wort über seine Lippen gegangen, fühlte er einen schmerzhaften Griff seinen Arm umklammern und vernahm Harrys Stimme, die mit seltener Festigkeit auf ihn einredete: »Evelyn! Schon der Gedanke daran ist Todsünde.« Zum erstenmal auf der Reise seinen Status als Ältester ausspielend, sagte er, was fast wie eine Drohung klang: »Ich will das nicht noch einmal hören, Evelyn. Ich warne dich.«
    Erschreckt durch den Zorn, der aus Harrys Worten zu hören war, fragte Evelyn reumütig: »Was sollen wir denn nur machen?« Und Carpenter antwortete: »Der Herr hat uns offenbar dazu ausersehen, sie vor dem Tod zu retten. Wir sind ihr so lange verpflichtet, bis wir die Last los sind. Schon mal was vom barmherzigen Samariter gehört?«
    Lutons Bedenken beschwichtigte das keineswegs, ja sie wurden sogar noch verstärkt, als er Irina neben Philip im Bug des Schiffes hocken sah, die Mütze abgesetzt, das Haar vom Wind zerzaust, was sie noch begehrenswerter erscheinen ließ. Die Geste, mit der sie das Haar aus dem Gesicht strich - verdammt slawisch, dachte Luton, sie könnte glatt eine russische Prinzessin sein. Dann sann er darüber nach, ob die Esten überhaupt zu den Slawen zählten; er kam zu dem Schluß, daß sie das nicht taten.
    Es war nicht bloß Enttäuschung bei ihm. Als Leiter einer Expedition und vorübergehend auch Kapitän eines Schiffes, eines kleinen zwar, aber immerhin, kamen Lord Luton unweigerlich historische Ereignisse aus der langen Geschichte der englischen Seefahrt ins Gedächtnis, von eingeschworenen

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