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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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versichere, nur Vermutungen anstellen.«
    »Also?«
    »Also! Nein, wenn es schon Vermutungen sein müssen, dann wollen wir alle unsere eigenen anstellen. Auf Vermutung aus zweiter Hand angewiesen zu sein, ist kläglich. Die Tatsachen kennen Sie selbst. Mein Bruder ist ein lebhafter, vielleicht gelegentlich gedankenloser junger Mann. Er ist seit etwa einer Woche mit Ihrer Freundin bekannt und weiß von ihrer Verlobung fast so lange, wie er sie kennt.«
    »Gut«, sagte Catherine nach kurzer Überlegung, »vielleicht können Sie daraus auf die Absichten Ihres Bruders schließen, ich kann es jedenfalls nicht. Aber ist Ihr Vater nicht darüber beunruhigt? Will er nicht, dass Hauptmann Tilney abreist? Natürlich, wenn Ihr Vater mit ihm spräche, würde er abreisen.«
    »Meine liebe Miss Morland«, sagte Henry, »ob Sie in diesem durchaus liebenswerten Eifer für das Wohlergehen Ihres Bruders nicht in einem leichten Irrtum befangen sind? Gehen Sie nicht ein bisschen zu weit? Würde er es Ihnen um seinet- oder auch um Miss Thorpes willen danken, wenn Sie so tun, als ob ihre Zuneigung oder wenigstens ihr gutes Benehmen nur dadurch gewährleistet wird, dass sie nichts von Hauptmann Tilney sieht? Ist er ihrer nur in der Einsamkeit sicher? Oder ist ihr Herz ihm nur treu, wenn es nicht von jemand anderem in Versuchung geführt wird? Das kann er doch nicht glauben. Und Sie dürfen überzeugt sein, dass er auch nicht möchte, dass Sie das glauben. Ich will nicht sagen, machen Sie sich keine Sorgen, denn ich weiß, Sie tun es in diesem Augenblick, aber machen Sie sich so wenig Sorgen wie möglich. Sie zweifeln nicht an der wechselseitigen Zuneigung zwischen Ihrem Bruder und Ihrer Freundin; verlassen Sie sich deshalb darauf, dass es wirkliche Eifersucht niemals zwischen ihnen geben, verlassen Sie sich darauf, dass ein Missverständnis zwischen ihnen nicht von langer Dauer sein kann. Beide kennen das Herz des anderen besser, als Sie es je kennen können. Die beiden wissen genau, was angebracht ist und wie weit sie gehen können, und Sie können sicher sein, dass keiner das für den anderen erträgliche Maß an Kränkung überschreiten wird.«
    Da er merkte, dass sie immer noch zweifelnd und bedrückt aussah, fügte er hinzu: »Obwohl Frederick Bath nicht mit uns verlässt, bleibt er wahrscheinlich nur noch kurze Zeit hier, vielleicht nur ein paar Tage. Sein Urlaub ist bald abgelaufen, und er muss zu seinem Regiment zurückkehren. Und was bleibt dann schon von ihrer Bekanntschaft übrig? In der Offiziersmesse wird man vierzehn Tage lang auf das Wohl von Isabella Thorpe trinken, und sie wird sich mit Ihrem Bruder noch vier Wochen lang über den armen verliebten Tilney lustig machen.«
    Catherine wehrte sich nicht länger gegen den Zuspruch. Sie hatte sich seiner Wirkung während der ganzen Rede zu widersetzen versucht, aber nun gab sie nach. Henry Tilney musste es am besten wissen. Sie machte sich selber Vorwürfe über das Ausmaß ihrer Befürchtungen und beschloss, die Sache nicht mehr so ernst zu nehmen.
    Ihr Entschluss wurde durch Isabellas Benehmen bei ihrem Abschiedsgespräch erleichtert. Die Thorpes verbrachten den letzten Abend von Catherines Aufenthalt in Bath in Pulteney Street, und nichts geschah zwischen dem jungen Paar, was sie beunruhigte oder weshalb sie sie mit Befürchtungen verließ. James war in ausgezeichneter Laune und Isabella wohltuend sanft. Sich ihrer Freundin gegenüber zärtlich zu zeigen, lag ihr anscheinend am meisten am Herzen, aber in solch einem Augenblick war das verzeihlich; und einmal widersprach sie ihrem Verlobten unverblümt, und einmal zog sie ihre Hand zurück, aber Catherine erinnerte sich an Henrys Belehrungen und deutete alles als geschickt dosierte Zuneigung. Die Umarmungen, Tränen und Versprechungen der beiden hübschen jungen Damen beim Abschied kann man sich vorstellen.

Kapitel 20
    Mr. und Mrs. Allen tat es leid, von ihrer jungen Freundin Abschied nehmen zu müssen, die ihnen durch ihre Ausgeglichenheit und Heiterkeit eine schätzenswerte Gesellschaft gewesen war und deren Vergnügen zu fördern für sie selbst eine Quelle des Vergnügens geworden war. Catherines große Freude, Miss Tilney zu begleiten, ließ kein Bedauern bei ihnen aufkommen, und da sie selbst nur noch eine Woche länger in Bath bleiben wollten, würden sie sie trotz ihrer vorzeitigen Abreise nicht lange entbehren. Mr. Allen begleitete sie zur Milsom Street, wo sie frühstücken sollte, und wurde Zeuge, wie sie von ihren

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