Klostergeist
fuhr er sich in die Ohren, wackelte auf und ab und gähnte herzhaft. Kurz darauf waren seine Ohren frei und an den Luftdruck im Städtle angepasst.
Einige Momente später warf der Pater die Tür des knallgelben Fiat zu. Der Wagen war eine Spende des hiesigen Autohauses, die Patres hatten wegen der Farbe keinerlei Einspruch erheben können, und so kursierten manche Sprüche im Ort … wann immer Pater Pius mit dem postgelben Mobil unterwegs war, bekam er zu hören: ›Ah, da kommt der Bote der frohen Botschaft‹ oder ähnliches.
»Ha guck, do kommt dr himmlische Poschtbote!«, rief denn auch der Fischer-Schorsch von seinem Platz auf der Ofenbank dem Pater zu, als dieser die Gaststube des ›Bären‹ betrat. Pius behielt seine Gedanken für sich und verstaute den Autoschlüssel in seiner Hosentasche. Einzig das große hölzerne Kreuz, das an einer groben Kette auf seiner Brust baumelte, erinnerte daran, dass Pius ein Pater war. Den Habit hatte er auf dem Berg gelassen und sich stattdessen eine Bundfaltenhose und einen wollenen Pullover übergestreift.
»Grüß Gott, Schorsch«, erwiderte Pius und nickte dem Stammtischbruder zu.
Der verzog die trockenen Lippen zu einem Grinsen, sodass die aufgequollene Nase wie ein roter Ballon in seinem Gesicht hüpfte. »Na, Pater, haben Sie mal wieder Freigang?«, neckte Schorsch und prostete Pius mit seinem Halbeglas zu.
›Sind wir nicht alle frei in Gottes wunderbarer Welt?‹, wollte Pius erwidern. Doch er nickte nur stumm – jetzt bloß keine Diskussionen mit dem angesäuselten Schorsch! Und dass er nur deswegen heute in den ›Bären‹ kommen konnte, weil er mit Bruder Ortwin die Abendandacht im Altenheim St. Josef getauscht hatte, ging hier ja nun wirklich keinen was an.
Verena Hälble erlöste Pius in dem Moment, als Schorsch den Pater zu sich an den Tisch winken wollte. Ein kühler Luftzug spülte die Kommissarin förmlich in den Schankraum. Verena rieb die Hände gegeneinander und schniefte.
»Grüß Gott, Pater Pius«, nickte sie, ehe sie ein deftiges Niesen schüttelte. »Ich glaub, die Kälte bekommt mir nicht«, meinte sie gequält, als sie sich aus ihrer Daunenjacke schälte.
»Jajaja, Weiber, dia friarat jo dauernd«, kommentierte Erich. Der Saufkumpan von Schorsch schüttelte den Kopf und starrte in sein Bierglas. Langsam, als ziehe die rot verquollene Nase seinen Schädel Richtung Tischplatte, hob er den Kopf. Ein Speicheltropfen vibrierte auf seiner Unterlippe, als er Verena mit trüb-lüsternen Augen ansah und mit der flachen Hand auf den freien Platz neben sich klopfte.
»Kannsch au zu mir nahocka, Mädle, ich mach’s dir scho schnell warm.«
Verena grinste schief. Dann warf sie den Kopf zurück und ging schnurstracks auf den Tisch der Trinker zu. Pius sog scharf die Luft ein, als die Kommissarin sich mit beiden Händen auf dem Tisch aufstützte. Ihre Nase war nur noch wenige Zentimeter von Erichs Gesicht entfernt, der nun weit die Augen aufriss. Als Verena die Mundwinkel zu einem breiten Lächeln verzog, schluckte der Trinker trocken.
Der sabbert gleich los wie ein Hund, dachte Pius und bekreuzigte sich innerlich sofort ob dieses Gedankens.
»Erich, jetzt hör mir mal zu«, sagte in dem Moment Verena mit pappsüßer Stimme. »Wer hier wem was warm macht, das wollen wir mal sehen. Noch so ein Spruch, der Herr, und ich erinnere mich ganz genau daran, dass da vor der Tür dein Auto steht. Und du willst doch ganz bestimmt deine Pappe behalten, gell?«
Erich nickte so heftig, dass der Spucketropfen von seiner Lippe tropfte und in sein Bierglas fiel.
»Ha no, ha no, des war doch bloß Schbass, an Witz, gell?«, stotterte er.
»Ich lach dann später«, antwortete Verena und klopfte mit der rechten Hand dreimal auf den Tisch.
»Einen schönen Abend noch, die Herren«, grinste sie nun und wandte sich zu Pius um. Dann steuerten beide auf einen kleinen Tisch in der Ecke der Gaststube zu. Hier, halb verborgen hinter der mit Mänteln voll behangenen Garderobe, hatten sie ihre Ruhe vor den anderen Gästen.
Die beiden gaben ihre Bestellung auf und saßen endlich vor einem heißen Pfefferminztee für Verena und einem alkoholfreien Bier für den Mönch. Er hätte zwar lieber ein Weizen getrunken, doch auch er hing, wie Erich, an seinem Führerschein.
Verena ließ mit Schwung zwei Stück Zucker in die dampfende Tasse plumpsen, sodass Teespritzer auf dem weißen Tischtuch landeten.
»Das hast du früher schon so gemacht«, lachte Pius und zwinkerte der
Weitere Kostenlose Bücher