Klostergeist
Kommissarin zu. »Bloß keine Zeit verlieren, gell?«
Verena legte den Kopf schief und rührte in ihrer Tasse. »Na, so schlimm war ich hoffentlich nicht, dass du jetzt meine ganzen Schandtaten ausbreiten musst.«
»Oh, ich erinnere mich an den Katechismus. Die kleine Verena hatte sich in den Kopf gesetzt, den komplett zu lernen, und zwar innerhalb von einer halben Stunde. Länger hat ihr die Geduld nämlich nicht gereicht.« Pius nahm einen tiefen Schluck und bereute sofort, das fade Alkoholfreie nicht gegen ein würziges Weizen tauschen zu können.
»Das weißt du noch?« Verena staunte und pustete in ihre Tasse. Dampf stieg auf. »Aber sonst war ich doch das netteste, bravste Kommunionkind aller Zeiten.«
Pius lachte laut auf. Erich und sein Kumpan drehten sich verstohlen um, was den Pater wohl so erheitert haben mochte. Doch die dicken Jacken und schweren Regenmäntel an der Garderobe verschluckten das Gespräch der beiden.
»Dann hast du wohl auch vergessen, dass du das einzige Mädchen warst, das mit einem zerrissenen Rock zur Kommunion gekommen war, weil es vor dem Gottesdienst mal eben schnell noch auf die Mauer der Stadtpfarrkirche klettern wollte?«
Verena schüttelte amüsiert den Kopf. Eine Weile ging es so hin und her, Pius neckte seine ehemalige Schülerin, die konterte mit der Vergesslichkeit des Lehrers, der vor lauter Gebeten auf dem Berg den Kommunionunterricht in der Stadt mehr als einmal beinahe vergessen hätte.
»Und jetzt sitzen wir also hier, quasi geschäftlich«, sagte Pius, als er das zweite Alkoholfreie geordert hatte.
Verena stieg vom Pfefferminztee auf Apfelschorle um. »Mir wär es auch lieber, wir hätten uns unter anderen Umständen getroffen«, entgegnete die Kommissarin. »Ich wollt ja auch immer mal auf den Berg kommen, aber …«
»Ich weiß schon, wie das ist, viel Arbeit hast du und dann willst du in der Freizeit auch was erleben und nicht immer wieder nur nach Spaichingen.« Beschwichtigend legte Pius Verena die Hand auf den Arm. Die nickte stumm.
»Trotzdem: Ich freu mich saumäßig, dich zu sehen.« Der Pater lächelte und seine Augen blitzten. »Ich hab dir immer geglaubt, dass du mal Verbrecherjäger wirst«, erinnerte er sich an den Kindertraum der kleinen Verena.
»Ich mir auch«, lachte die Kommissarin. »Und nun will ich hoffen, dass ich diesen Fall hier auch gelöst kriege.«
»Ein Fall im doppelten Wortsinn, allerdings«, sagte Pius.
»Lass es mich frei heraus fragen: Glaubst du, Pius, dass Bürgermeister Engel freiwillig vom Turm gesprungen ist? Immerhin warst du ja quasi Augenzeuge.«
Pius Gesichtszüge verdunkelten sich, als er an den leblosen Körper vor seinen Füßen dachte. War das wirklich erst wenige Stunden her?
»Willst du tatsächlich eine Antwort von mir?«
»Ja, die will ich, Pius. Eine Antwort von dir als Mensch«, entgegnete Verena und sagte dann, nach einer Pause: »Und als der, bei dem Herr Engel vielleicht gebeichtet hat.«
»Jetzt verlangst du aber Unmögliches von mir!«, rief Pius. »Selbst wenn ich der Beichtvater des Schultes gewesen wäre, ich kann doch nicht mein Beichtgeheimnis brechen.«
Nun war es an Verena, dem Pater beschwichtigend die Hand auf den Arm zu legen.
»Das weiß ich doch. Ich verlange auch nicht, dass du mir etwas aus der Beichte erzählst. Aber vielleicht hast du einen Hinweis, irgendwas, das mir weiterhilft?«
»Dann meinst du also, Engel ist nicht freiwillig gefallen«, sagte Pius. Und mit einem Mal wurde es ihm heiß und wieder kalt und dann wieder heiß. »Lass mich nachdenken«, bat er Verena.
Die nickte stumm und machte sich auf den Weg zur Toilette. »Ich will die Bärbel fragen, ob sie ein Zimmer frei hat für mich, es wär’ schon besser, wenn ich vor Ort übernachten würde und nicht daheim in Rottweil.«
»Gute Idee«, sagte Pius und blickte ihr nach, wie sie durch die Tür mit der Aufschrift ›Zu den Toiletten‹ verschwand. Doch vor seinem inneren Auge sah er etwas anderes …
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