Klotz, Der Tod Und Das Absurde
Blick hinüber in den anderen Gang. Walther war
nicht mehr zu sehen. Dann faltete er die beiden Akten zusammen, stopfte sie
sich unter den Pullover und machte sich auf den Weg in sein Büro.
Als er wieder an seinem Schreibtisch saß, fand er einen Zettel vor,
auf dem die vorläufigen Ermittlungsergebnisse vermerkt waren:
Über das Dezernat Eigentumskriminalität war die Meldung
hereingekommen, dass der Golf, in dem Gummler gestorben war, am Samstagabend
als gestohlen gemeldet worden war.
Escherlichs Nachforschungen hatten ergeben, dass eine perfekte
Fälschung eines Autokennzeichens ein Kinderspiel war, wenn man unverfroren
genug war, zur Kfz-Zulassungsstelle zu gehen, um dort in einem günstigen Moment
druckfrische TÜV - und AU -Plaketten zu entwenden. Das
Kennzeichen konnte man sich in einem der vielen Autoschildergeschäfte
herstellen lassen, von denen sich eine Handvoll neben der Zulassungsstelle
befand.
Wie Klotz erwartet hatte, waren die von Anwärter Zebisch
durchgeführten Befragungen bei der Betonfirma Breslauer ergebnislos geblieben.
Nichts, was man nicht schon wusste: Gummler sollte am Samstagabend auf eine
Baustelle fahren, um dort noch eine Fuhre Beton anzuliefern. Die Fuhre kam
allerdings nie an ihrem Bestimmungsort an.
Klotz war noch mal auf den Aussiedlerhof nach Eichenbühl
rausgefahren.
Gerade als er aus dem Wagen stieg, brach die Dämmerung herein. Er
war nicht gerade in Hochstimmung. Im Prinzip waren sie keinen Schritt
weitergekommen. Und der einzige Zeuge, der vielleicht etwas gewusst haben
könnte, war von der U-Bahn zermalmt worden. Irgendwie klebte das Pech an dieser
Ermittlung. Es war zum Mäusemelken.
Klotz sah sich um, sah das Fachwerk, den Traktor, das Stroh und
fand, dass es hier aussah wie in der guten alten Zeit. Wie der Schein doch
trügen konnte! Ihm fiel auf, dass nirgendwo Licht brannte. Alles, die Scheune,
der Dungstreuer, das Haus und der Schweinekoben, versank mit jeder Sekunde
immer tiefer im Dunkel. Aus Richtung des Stalls hörte er ab und an ein scharrendes
Geräusch, das immer wieder von kurzen Grunzern überlagert wurde.
Klotz ging zum Schweinestall. Die Tür stand offen.
»Hallo? Ist da jemand? Herr Gummler?«
Er tastete die Wände links und rechts der Türöffnung ab, bis seine
rechte Hand einen Drehschalter identifizieren konnte, der bestimmt ein halbes
Jahrhundert alt sein musste.
Gummler lag zwischen sechs oder sieben kleinen Ferkeln, die emsig um
ihren schlafenden Herrn herumstolperten. Klotz sah eine leere Glasflasche unter
den Hufen der Ferkel aufblitzen. Er beugte sich über das Gatter, zog sie heraus
und stellte sie an ein Fenster zu den anderen Flaschen.
Klotz hatte die Gunst der Stunde genutzt und war ins Wohnhaus
rübergegangen. Als er die Treppe zu Thorsten Gummlers Wohnräumen hochging,
merkte er, dass etwas nicht in Ordnung war. Links und rechts an den Wänden
klebten Reste einer schmierigen gelben Masse. Nachdem er durch die offen
stehende Tür eingetreten war, wusste er, warum.
Der alte Gummler hatte – wohl im Suff – die Geburtstagstorte für
seinen Sohn nach oben gebracht und auf den Tapeziertisch geworfen. Der arme
Mensch, der das wieder sauber machen muss, dachte Klotz und ging rüber zur
Vitrine.
Ihm fiel auf, dass die Pyramide auf dem Wüstenszenario fehlte. Nur
noch die herumirrenden Soldaten und der ausgebrannte Panzer waren übrig
geblieben. Er ging wieder nach unten und sah nach dem alten Gummler, der immer
noch tief und fest schlief.
Er hatte das Ganze wohl unterschätzt. Morgen würde er jemanden
rausschicken, der sich um den alten Gummler kümmern würde. Sein Blick fiel
wieder auf die Flaschen auf dem Fensterbrett. Vielleicht wäre eine
Zwangseinweisung in eine Entzugsklinik doch das Gescheitere, dachte Klotz, als
er nach draußen ging. Dann stieg er in den Wagen und fuhr nach Hause.
19. Dezember
Der weißliche Kleister troff an dem sonnengebräunten,
cellulitefreien Hintern langsam hinunter. Sabberte sich an den perfekten
Oberschenkeln entlang, weiter in Richtung Kniekehlen. Aber die konnte man nicht
mehr sehen. Die waren von der Abschlussleiste kupiert worden, da sie
offensichtlich nur gestört hätten. Der Mann, der das Plakat anbrachte, wischte
seinen Pinsel über eine Abtropfvorrichtung, um den überflüssigen Kleister
loszuwerden. Dann wedelte er noch einmal mit kräftigen Bewegungen auf dem
Hintern herum, um den stehen gebliebenen Saft zu verteilen. Klotz musste
niesen, und die Straßenbahn fuhr wieder an. Jetzt
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