Klotz, Der Tod Und Das Absurde
Zebisch ein. Die Rache für die
überflüssige Ermittlungsarbeit, die er dem Anwärter aufgebrummt hatte?
»Ein Leck? Eine undichte Stelle?«, unterbrach Escherlich die
Gedanken seines Kollegen.
»Es scheint so, meine Herren. Ein Unding ist das. So etwas kann
nicht sein. So etwas darf einfach nicht
vorkommen. Unter keinen Umständen«, antwortete Huber ärgerlich.
»Wir könnten eine interne Untersuchung einleiten«, schlug der
Hauptkommissar vor.
»Habe ich längst veranlasst. Aber jetzt ist das Kind nun mal in den
Brunnen gefallen. Am besten, wir treten die Flucht nach vorne an.«
Der Polizeichef informierte die beiden darüber, dass er für den
nächsten Tag, neun Uhr, eine Pressekonferenz anberaumt hatte. Staatsanwältin
Gulden und Klotz sollten die Veranstaltung leiten.
Klotz dachte an die wunderbare Aussicht, mit Staatsanwältin Gulden
ein Meeting vor der Presse abhalten zu dürfen, und wünschte sich schon einmal
viel Spaß. Er nahm den Pfeil, den Huber während seiner Ausführungen aus der
Dartscheibe gezogen und auf seinem Schreibtisch abgelegt hatte, und warf ihn
auf die Pinnwand. Er blieb in der aufgeblähten Silikonbrust einer Frau stecken,
die auf einer Postkarte aus Malle abgebildet war. Hubers Schädel schwoll an und
wurde noch etwas röter, als er eh schon war. Wortlos verließ der Polizeichef
das Büro.
Was nun? Escherlich meinte, dass sie ja erst mal ihre Protokolle schreiben
konnten. Klotz warf seinem Kollegen einen missmutigen Blick zu. Stand auf. Nahm
die Tüte, in der sich sein verdreckter Mantel befand, und ging.
Nachdem er die Reinigung verlassen hatte, ließ er sich eine Weile
vom Gesang einer Gruppe von Männern ablenken, die zwischen Lorenzkirche und
Nassauer Haus Weihnachtslieder aus Weißrussland zum Besten gaben. Dann betrat
er den Karstadt.
Er ließ sich von den Rolltreppen so lang nach oben tragen, bis es
nicht mehr weiterging. Die Sportabteilung. Glücklicherweise war in dieser
Abteilung weniger los als auf den anderen Etagen.
Die Frau, die auf ihn zukam, hatte tiefschwarzes Haar und einen
dunklen Teint. Klotz registrierte ihr Lächeln, das ihm unverstellt und ehrlich
erschien.
»Koani Eana hüifa?«
Klotz brauchte einen Moment. Das war Bairisch. Tiefstes Bairisch
sogar. Er war einigermaßen überrascht.
»Ja, äh … Meine Schwägerin hat sich zu Weihnachten so einen
Schrittzähler gewünscht. Zum Laufen«, log Klotz, der sich seit einem halben
Jahr schon vornahm, endlich Sport zu treiben und abzunehmen.
Diese rehbraunen Augen waren voller Wärme und Heiterkeit, dachte
Klotz und sah verlegen zur Seite.
Frau Melanie Maus – er hatte auf ihr Namensschild gespitzt –
präsentierte ihm verschiedene Arten von Schrittzählern. Klotz hörte geduldig zu
und entschied sich schließlich für ein Pedometer in der mittleren Preisklasse.
Während sie zur Kasse gingen, fragte er sich, ob sie ihn meinte, oder ob sie jeden ihrer Kunden so ansah, mit
diesen warmen Augen. Er überlegte, ob er es herausfinden sollte.
Als es ans Bezahlen ging, wollte er seine Ermittlernatur nicht
länger verleugnen und ging der Sache auf den Grund.
»Sagen Sie, Sie sind nicht von hier, oder?«
»Mei, härt ma des net? I bin vo Erding.«
»Arbeiten Sie schon lange in Nürnberg?«
»No net lang. I bin etza groad drei Monat do.«
»Sagen Sie …«
»Ja?«
»Hätten Sie vielleicht Lust, mit mir mal einen Kaffee trinken zu
gehen?«
»Freili, sehr gern.«
Klotz gestand sich ein, dass seine Anmache nicht sehr originell
abgelaufen war. Aber manchmal funktionierte ein einfaches, direktes Vorgehen
besser als so eine aufwendige Zauber-Kaninchen-aus-dem-Hut-Nummer. Von
spektakulären Dingen hatte er in letzter Zeit sowieso genug.
Sie tauschten ihre Handynummern aus, und er versprach, sie am Abend
anzurufen.
Seine Hochstimmung hatte ihn so weit gebracht, dass er beinahe alle
Weihnachtsgeschenke eingekauft hatte, als er das Kaufhaus verließ.
Gerichtsmedizinerin Lilly Hammer legte gerade ein gebrauchtes
Skalpell auf den Etagenwagen, als Klotz den weiß gekachelten Sektionsraum des
Rechtsmedizinischen Instituts betrat.
»Herr Hauptkommissar. Kommen Sie ruhig. Ich beiße nicht«, ermunterte
die Rechtsmedizinerin ihren schüchternen Gast.
Mit der einen Hand winkte sie Klotz, der aus irgendeinem Grund in
der Nähe des Türrahmens stehen geblieben war, mit der anderen deutete sie auf
den blau-violett schattierten Körper, der vor ihr auf dem stählernen Tisch lag,
und fügte hinzu:
»Und der auch nicht
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