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Knapp am Herz vorbei

Knapp am Herz vorbei

Titel: Knapp am Herz vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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Prise Salz auf seinen Hackbraten. Ratte reagiert genauso beiläufig. Er kräuselt die Lippen. Nickt.
    Außerdem ein paar Sägen.
    Wieder ein Nicken.
    Willie senkt die Stimme. Und zu gegebener Zeit muss ich wissen, ob es hier im Knast irgendwelche Leitern gibt.
    Ratte nickt kaum merklich. Selbst eine Zeitlupenkamera könnte es nicht festhalten.
    Als Ratte ein paar Tage später Willies Post bringt, überreicht er ihm ein Päckchen. Fest eingewickelt in Plastik. Mit Farbe verschmiert. Weil es in einem Farbeimer geschmuggelt wurde.
    Plätzchen von zu Hause, Willie. Gib acht, dass sie frisch bleiben.
    Willie hat kein Zuhause. Er steckt das Päckchen unter seine Matratze. Zwischen den Bettkontrollen reißt er das Plastik ab.
    Eine geladene . 38 er.
    Und zwei blitzblanke neue Eisensägen.
     
    Knipser hält an der Forty-Third und zeigt auf ein Gebäude. Da ist es, Willie.
    Sutton wischt die beschlagene Scheibe zu seiner Linken sauber. Also, das nenne ich mal eine Bank, sagt er.
    Es ist ein riesiger Glaskasten. In der Mitte steht ein massiver, runder Tresor, gute zwei Meter hoch, die Tür einen guten halben Meter dick. Ein Tresor, in dem die Formel für die Atombombe aufbewahrt sein könnte. Knipser macht eine Kehrtwende, parkt in der zweiten Reihe, knallt das
PRESSE
-Schild aufs Armaturenbrett. Er dreht sich zu Willie.
    Angeblich wurde diese Bank Ihretwegen gebaut, Mann.
    Wieso?
    Offenbar hatten Sie 1950 gerade eine Manufacturers Trust ausgeraubt.
    Angeblich.
    Und Manufacturers Trust wollte ängstliche Kunden beruhigen.
    Sehr vernünftig.
    Darum haben sie diese vollkommen durchsichtige Filiale gebaut. Damit die Kunden immer sehen konnten, ob Willie Sutton da war. Folglich würde Willie Sutton nie da sein.
    Ist nicht zu fassen.
    Die erste Sutton-sichere Bank der Welt. Ich soll Sie davor fotografieren. Sie sollen das Gebäude anstrahlen, als hätten Sie es gebaut.
    Anscheinend habe ich das ja.
    Sutton humpelt vom Auto zur Bank und legt beide Handflächen auf das Glas. Knipser schießt eine Reihe von Bildern. Ein bisschen nach links, Willie. Gut, gut. Okay, das reicht. Wir sind fertig.
    Mach noch ein paar, sagt Sutton. Die verwende ich nächstes Jahr als Weihnachtskarten.
    Knipser lacht und schießt noch ein paar Fotos.
    Sutton lacht und lacht, ohne sich zu bewegen und die Hände vom Glas zu nehmen. Schreiber nähert sich ihm. Mr Sutton?
    So einen Aufwand haben sie betrieben, Kleiner.
    Wer?
    Sie. Wegen mir. Einem Ganoven aus Irish Town. So einen Aufwand haben sie betrieben.
    Das ist – beeindruckend.
    Mein Vermächtnis.
    Sutton tritt zurück, neigt den Kopf. Er betrachtet den Tresor aus verschiedenen Winkeln. Setzt seine Brille auf, streicht sich übers Kinn. Hm, sagt er. Was sagt man dazu. Ein Mosler.
    Woher wissen Sie das?
    Woher weiß ein Arzt, ob deine Mandeln rausmüssen?
    Er tritt noch einen Schritt zurück, schaut nach rechts und nach links. Weißt du was, Kleiner?
    Was?
    Mit einer guten Bande, einer Kanne schwarzem Kaffee und einem, der verlässlich Schmiere steht, könnte ich diese Scheißbank immer noch knacken.
     
    Willie späht durch sein Zellenfenster. Schnee. Der Sturm, auf den er gewartet hat. 10 . Februar 1947 . Warum ist es immer Februar, dieser abgesägte Monat, dieser Hughie-McLoon-Monat, wenn in seinem Leben Wichtiges geschieht?
    Zur Mittagszeit scheppert die Tür auf. Hier ist das Buch, das du wolltest, Willie.
    Danke, Kleiner. Was macht die Kunst?
    Kann mich nicht beschweren, und wenn ich’s täte, würde mir eh keiner zuhören.
    Ich schon. Ich würde dir zuhören.
    Willie senkt die Stimme: Gib’s an Freddie weiter: Heute Nacht.
    Ratte nickt, steht unschlüssig da. Dann zögert er, bleibt nicht unbedingt, geht aber auch nicht. Er wischt sich die Locke aus der Stirn und tritt einen Schritt vor.
    Du wirst mir fehlen, Willie. Sehr, sehr fehlen.
    Willie senkt den Blick, beißt die Zähne zusammen und verflucht sich selbst dafür, dass er die Zeichen nicht erkannt hat. Er hat sich um Ratte bemüht, aber Ratte sich ebenso um ihn. Und wenn er jetzt nicht richtig reagiert, wird der Kleine schnurstracks zum Anstaltsleiter rennen. Und wieder Ratte spielen. Willie blickt auf. Ja. Hm. Du wirst mir auch fehlen, Kleiner.
    Ratte tritt noch einen Schritt vor. Ich liebe dich, Willie.
    Oh. Ja, klar. Ich liebe dich auch, Kleiner.
    Willie umarmt Ratte väterlich, doch das ist ihm nicht genug. Er nimmt Willies Gesicht zwischen die Hände, zieht ihn an sich und küsst ihn. Willie befiehlt sich, standhaft zu bleiben,

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