Knappheit: Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben (German Edition)

schmerzlich war, etwa, wenn man der Einzige war, der den Termin eines Treffens von sechs Personen unmöglich machte. Wir schützten nicht nur irgendeinen Zeitabschnitt, sondern Zeit mit hoher Bandbreite . Das funktionierte aber nicht besonders gut, und unsere Schreibsitzungen waren nicht allzu effektiv − bis wir erkannten, was wir falsch gemacht hatten: Bevor wir uns in der so heftig verteidigten Zeit zum Schreiben zusammensetzten, schauten wir noch »schnell« in unsere E-Mails und kümmerten uns um irgendwelche dringenden Dinge. Um neun zwangen wir uns dann dazu, damit aufzuhören, selbst wenn das manchmal eine große Aktion erforderte, wie den Stecker des WLAN-Routers zu ziehen. Aber wie sich zeigte, waren wir trotzdem noch mit den Gedanken weit weg. Eine Nachricht von einem Projekt, das in Verzug stand, hatte unterstrichen, wie weit wir wirklich zurücklagen. Eine andere Nachricht hatte uns an die dringende Notwendigkeit erinnert, Geld aufzutreiben. Wir saßen also nicht zusammen, um in Ruhe zu schreiben, sondern waren einer ganzen Reihe Unruhe stiftender Gedanken nachgegangen. Wir haben uns wie Leute auf Diät verhalten, die sich jeden Morgen Donuts vorsetzen, bevor sie sich daranmachen, über andere Dinge nachzudenken.
pferdefüße
    Viele arme Absolventen der High School gehen nicht auf ein College. 15 Viele großzügige Hilfsprogramme, die von der Annahme bestimmt sind, dass das fehlende Geld der Grund ist, nicht auf ein College gehen zu können, sind darauf ausgerichtet, den Menschen mit geringem Einkommen zu helfen. Aber diese Programme blieben in starkem Maße ungenutzt, es meldeten sich zu wenige Interessenten. Das war überraschend, weswegen eine Forschergruppe versuchte, die Gründe herauszufinden. Sie teilte qualifizierte Schulabsolventen (und ihre Familien), die um Unterstützung baten und ihre Steuerunterlagen dabei hatten, in drei Gruppen und gab ihnen alle Antragsformulare für finanzielle Hilfe zum College-Besuch. 16 Bei der ersten Gruppe überwachten sie nur die Tendenz, den Antrag zu stellen. Bei der zweiten versuchten sie, die Informationslücken zu schließen. Vielleicht wussten ja die fraglichen Schulabgänger nichts über die Fördergelder. Bei der dritten Gruppe machten die Forscher etwas Geniales. Sie sagten den begabten Schulabsolventen nicht nur, für was sie begabt waren, sondern füllten mit ihnen auch gleich die Formulare aus. Es war ein großer Erfolg: Die Schüler beantragten nicht nur häufiger die Hilfe, es meldeten sich auch 29 Prozent mehr für das College an.
    Formulare ausfüllen kann für jeden zur Qual werden und verlockt dazu, das Ganze zu verschieben und zu vergessen. Mit der eingeschränkten Bandbreite und vielleicht einer gewissen Stigmatisierung ist es für Menschen mit geringem Einkommen eine noch größere Qual. Familien ohne College-Erfahrung verdreifachten ihre Antragsrate, wenn sie Hilfe beim Ausfüllen der Formulare bekamen.
    Das Ganze hat zu einer tiefen Erkenntnis geführt, wie man Knappheit managen kann. Fehlplanungen, Verschiebungen und das Vergessen können anscheinend aus kleinen Stufen große Stolpersteine machen. Wir haben aber nun diese Hindernisse im Griff, wenn wir unser Leben strukturieren oder wenn wir für andere Strategien entwickeln. Gibt man jemandem ein Formular mit nach Hause, kann er es vergessen. Hilft man beim Ausfüllen, steigt die Zahl der Anmeldungen. Natürlich ist das Ausfüllen eines Formulars nur ein »winziger« Schritt, aber es ist auch einer, bei dem man leicht stolpern kann. Es ist wie mit der Berechnung der Zinsen oder der Erinnerung, dass die Zulassung erneuert werden muss. Ist unsere Bandbreite eingeschränkt, können schon die kleinsten Hindernisse großen Schaden anrichten.
    Wer öffentliche Fördermittel erhält, muss beispielsweise oft Folgeanträge stellen und eine Reihe von Formularen ausfüllen, um zu zeigen, dass er noch immer förderungswürdig ist. Man kann sich leicht vorstellen, dass die Geförderten gerade in der Zeit, in der sie Rechenschaft ablegen müssen, aus den Programmen aussteigen. Wer am meisten in seiner Bandbreite beschnitten ist, liegt auch am ehesten mit seinen Berichten und Anträgen zurück. Die Anforderung dieser Nachweise scheint unglücklicherweise oft gerade die Bedürftigsten auszusondern, die den größten Bedarf an Förderung haben.
    Um die Logik der Beschneidung der Bandbreite zu erkennen, stellen Sie sich vor, dass für das Ausfüllen von Förderanträgen eine hohe Gebühr erhoben wird. Es