Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
mit Mobiles aus grinsenden Walen und schielenden Tintenfischen und mit Klamotten von Naturmode-Labels, deren Baumwolle so völlig pestizidfrei und kompostierbar war, dass man sie vermutlich auch hätte essen können. Stofftiere, Bilderbücher zum Durchkauen im wahrsten Wortsinn, Spieluhren und tausenderlei Kleinkram verstopften jetzt schon jeden Winkel in den Schränken und Kommoden, bevor der Zwerg überhaupt eingetroffen war. Und oft genug dudelte bereits eine von den Spieluhren, weil Martin mal gelesen hatte, dass Babys im Bauch schon gut hören können. Wenn er also der Meinung war, dass der Nachwuchs gerade in einer friedlichen Stimmung war, spielte er eine Spieluhr ab. Dabei hoffte er, dass die Verquickung später auch andersherum funktionieren würde: Also Spieluhrdudeln führt zu friedlicher Stimmung. Vielleicht funktionierte das bei einem konditionierten Zwergwürstchen, aber mich brachte das Jaulen regelmäßig zum Reihern.
Um sechs Uhr morgens an diesem Tag nach der Festnahme seines besten Freundes hockte Martin im Kinderzimmer und lauschte der Beruhigungsspieluhr. Ich sah zukünftig schon den Vater losratzen, sobald die ersten Töne erklangen, während der Bonsai mit jedem Takt aggressiver wurde und dem Papa gegen Ende der ersten Strophe das Kuscheltier in den Hals stopfte, aber das mochte eine Projektion meiner eigenen negativen Empfindungen sein. So jedenfalls hatte das die Psychologin kürzlich im Fernsehen genannt.
»Unfug«, dachte Martin träge in meine Richtung.
»Was weißt du über das Verhältnis von Gregor zu Susanne Hauschild in den letzten Jahren?«, fragte ich ihn.
»Nichts. Es gab keins.«
»Was nun? Du weißt nichts oder es gab keins?«
»Gregor hat sie nie erwähnt. Seit Jahren nicht. Also gab es kein Verhältnis.«
Ich hätte Martin jetzt erklären können, dass es ein gesunder Schutzmechanismus sein kann, gewisse Namen nicht zu erwähnen, aber Martin glaubt an das Gute im Menschen, bis das Böse einwandfrei bewiesen ist, daher sind solche allgemeinen Hinweise bei ihm nicht erfolgreich.
»Hat er nicht berichtet, dass er sie kürzlich wiedergetroffen hat?«, fragte ich.
Martin erstarrte. »Wann?«
»Letzte Woche.«
Er schüttelte in Zeitlupe den Kopf. »Kein Wort.«
Okay, das konnte heißen, dass er das Zusammentreffen so wichtig fand, dass er es ganz für sich behalten wollte, oder dass er es so unwichtig fand, dass er vergessen hatte, es zu erwähnen.
»Fällt dir irgendein sachdienlicher Hinweis ein, den du mir geben könntest?«, fragte ich leicht genervt.
Martin hatte die Spieluhr wieder aufgezogen und ließ sich von ihr hypnotisieren.
Dann eben nicht. Ich schaute noch schnell nach Birgit, die vor dem Spiegel stand und ihrem Bauch böse Blicke zuwarf. »Nun komm schon, ich bin es leid. Ich will mich wieder wie ein Mensch fühlen, nicht wie ein Elefant.«
Eine freundliche Einladung sieht auch anders aus, dachte ich, und schaltete mich weg.
Jennymaus trudelte um sieben Uhr im Büro ein und rief in Düsseldorf an. Sie erreichte weder Keller noch Stein und auch nicht deren Vorgesetzten. Klarer Fall von Abwimmeln.Außerdem klarer Fall von Jennymaus, denn Gregor hätte sich, wäre die Situation andersherum gewesen, nicht abwimmeln lassen. Jenny jedenfalls legte den Hörer auf, seufzte leise und ging zum Chef.
»Ich weiß schon Bescheid«, murmelte der Chef, als Jenny in sein Büro trat. »Der Kollege aus Düsseldorf hat mich informiert.«
»Und was genau hat er gesagt?«, fragte Jenny.
»Dass Kollege Kreidler des Mordes an seiner Exfrau verdächtigt wird. Und dass es zwingende Hinweise gibt. Indizien und Zeugenaussagen. Und dass der Verdächtige schweigt.«
Jenny sackte in sich zusammen. »Aber das glaube ich nicht.«
Der Chef blickte sie unglücklich an. »Ich habe schon alles Mögliche erlebt …«
Jenny starrte ihn ungläubig an.
»… aber ich glaube es auch nicht. Für jeden Menschen und für diesen Fall ganz besonders gilt die Unschuldsvermutung.«
Jenny nickte. »Ich werde …«
»Sie werden gar nichts tun, Frau Gerstenmüller.« Die Stimme des Chefs hatte einen ziemlich scharfen Tonfall angenommen. »Wir werden den Kollegen aus Düsseldorf jede Hilfe zukommen lassen, um die man uns bittet, aber ansonsten halten wir Hände und Füße still. Ich will mir nicht nachsagen lassen, dass wir eine Ermittlung kompromittieren oder manipulieren, um unserem Kollegen zu helfen.«
Jenny erhob sich steif, murmelte »Natürlich« und verließ das Büro. Auf dem Flur traf
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