Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
heiligen Turbolader, schwieg er? Meine Gedanken strudelten im Kreis herum und ich fand einfach keinen Haken, an dem ich sie ordentlich hätte aufhängen können. Ich musste also wieder in meinen Erinnerungen kramen.
Ich konnte nur hoffen, dass die Antwort in den Ereignissen der letzten Tage vor dem Mord lag. Mein Gedächtnis war schon zu Lebzeiten nicht das beste und mein Tod der Erinnerungsfähigkeit nicht gerade dienlich gewesen. Aber verdammt noch mal, ich musste einfach etwas finden. Es ging immerhin um Gregor.
FÜNF
23. Juni, 2 Tage vor dem Mord an Susanne
Gregor und Jenny legten gleichzeitig die Hörer auf.
»Du zuerst«, ordnete Gregor an.
»Sie hatte tatsächlich Diazepam im Blut«, sagte Jenny.
Gregor schaute sie fragend an.
»Diazepam ist der Wirkstoff des Beruhigungsmittels, dessen Blisterstreifen wir in ihrer Wohnung gefunden haben. Allerdings hat sie nur eine oder zwei von den Pillen geschluckt.«
»Und was sagt der Arzt?«
»Er hat ihr weder dieses Schlafmittel noch sonst ein Medikament verschrieben und wüsste auch nicht, wofür. Kerngesund sei sie gewesen. Weder körperliche noch psychische Beschwerden.«
»Warum hatte sie dann überhaupt einen Hausarzt?«, fragte Gregor.
»Erfolgreiche Allergiedesensibilisierung vorletztes Jahr, regelmäßige Grippeimpfungen«, las Jenny von ihrem Zettel ab. »Jetzt du.«
»Auf dem Blisterstreifen aus Paulinas Mülleimer sind nur an zwei von den Blisterdingern Paulinas Fingerabdrücke zu erkennen, und zwar ziemlich verschmiert. Alle anderen Pillenblasen sind ohne Abdruck.«
»Ohne ihren Abdruck meinst du.«
Gregor schüttelte den Kopf. »Ohne jeglichen Abdruck.«
»Was heißt das?«, fragte Jenny.
»Dass die Packung nicht ihre war.«
Jenny glotzte verständnislos. »Wieso?«
»Schau mal auf die Pillenstreifen in deinem Arzneischrank, Jenny. Die sind voll von deinen Fingerabdrücken. Jedesmal, wenn du eine Pille aus einer Blase drückst, hinterlässt du einen. Es sei denn, du ziehst vor jedem Aspirineinwurf Gummihandschuhe über.«
Beide starrten dumpf vor sich hin, bis Gregor seufzte. »Okay, erst die Frage, woher sie die Pillen hatte. Die einfachste Art der Beschaffung ist wohl der Arbeitsplatz. Komm, auf in den Sonnenschein.«
Die Kripos fuhren zum zweiten Mal in das Altenheim, in dem Paulina gearbeitet hatte, und ließen sich bei der Leiterin der Seniorenresidenz Sonnenschein, Dr. Wenger, anmelden. Sie schilderten ihre Suche nach der Herkunft der Pillen und sahen ungerührt zu, wie der Verantwortlichen das Blut aus der Birne sackte.
»Paulina? Sie soll Beruhigungsmittel für ihren Selbstmord gestohlen haben? Das ist ja unfassbar.«
Die Tussi vom Typ Büffelhüfte, deren gewaltige Sitzpolster beim Gehen in gefährliche Schwingungen gerieten, begleitete Gregor und Jenny in die Hausapotheke, erläuterte dem zuständigen Weißkittel die Situation und ließ die Kripos mit ihm allein.
Nach fünf Minuten pharmazeutischem Dampfgeplauder hatte ich kapiert, dass der Pillenportionierer erstens beim Pillenzuteilen aus hygienischen Gründen immer Handschuhe trug und zweitens die Überprüfung der Arzneimittelbestände anhand von Verordnungslisten, Lieferscheinen, Tagesdosisplanern und anderen Dokumentationenden ganzen Rest des Tages, wenn nicht gar den Rest der Woche dauern würde. Ich verkrümelte mich.
Auf dem Weg zur Tür sah ich Gregors Ex, die im Cafébereich mit einem alten Mann am Tisch hockte und Kaffee trank, das ein Mädchen mit ultrakurzen platinblonden Haaren den beiden brachte. Damals wusste ich nicht, dass alle drei in dieser Tragödie noch entscheidende Rollen spielen sollten, sonst hätte ich ihnen nur allzu gerne ein paar Minuten Gesellschaft geleistet.
28. Juni, Tag 1 nach Gregors Festnahme
Gregor und Katrin wohnten nicht zusammen, was hauptsächlich daran lag, dass Katrin eine Eigentumswohnung besaß, die Gregor zu klein fand, und Gregor in einer Mietwohnung hauste, deren Lage seiner Angebeteten nicht gefiel.
Als Katrin am Montag nach Gregors Verhaftung gegen sechs nach Hause kam, hockten Keller und Stein auf der Treppe zu ihrer Wohnung wie Schlüsselkinder ohne Schlüssel.
»Sie hätten anrufen können«, sagte Katrin unfreundlich.
»Hätten wir«, sagte der Fette mit der Glatze, von dem ich immer noch nicht wusste, ob er nun Keller oder Stein war.
»Was wollen Sie?«
»Reinkommen, einen Kaffee und ein nettes Gespräch.«
Katrin machte aus ihrer Abneigung keinen Hehl, ließ die Kripos aber hinein. Sie blickten sich
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