Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
niemand. Warum schmollte er also allein vor sich hin, statt eine vernünftige Aussage zu machen und nach Hause zu gehen? Ich kapierte es nach wie vor nicht, konnte ihm auch nicht helfen und schaltete mich weg.
Ziellos gondelte ich durch die Straßen. Ich hätte die Platine beim Kaffee servieren beobachten können oder Sahnes Vater beim Zeichnen, aber beide waren heute schlecht gelaunt. Den Exlover von Paulinchen, dem Pendel fandich frühestens ab zweiundzwanzig Uhr im Karpi Diem , und ohne meinen Hilfssheriff Martin brauchte ich dort gar nicht aufzutauchen. Also schaute ich mal wieder in Düsseldorf bei der Soko Sahne vorbei. Die Nachmittagsbesprechung lief.
»Die KTU hat eine eindeutige Übereinstimmung der Fasern ergeben«, dozierte Stein gerade. Der Beamer warf ein Bild von Gregors Jeansjacke an die Wand, die Katrin ihm gebracht hatte. Die Verräterin! Jetzt hatte die Kripo einen weiteren Beweis gegen Gregor in der Hand. Das Typenschild, die Zeugenaussage von Likörchen Berger, die Gregor gesehen hatte, und jetzt auch noch die Schuppen von Gregor und die Fasern der Jacke, die er Freitag getragen hatte.
»Bisher alles Indizien«, quengelte die rote Emanze dazwischen.
Zum ersten Mal in meinem Leben fand ich die ultrafeministische Anti-Männer-Masche so richtig gut. Sollte Lili Leuchtfee den schnöseligen Stein doch am liebsten in jedem zweiten Satz darauf hinweisen, dass Gregor kein Geständnis abgelegt hatte.
»Nun, ich würde eher sagen: Beweise.«
»Ich fasse mal die Fakten zusammen«, näselte Lili Leuchtfee. »Kreidlers Schlüsselanhänger lag am Tatort, er selbst wurde an der Haustür gesehen und die Tote hatte Hautschuppen und Fasern von seiner Jacke an sich.«
»Ziemlich gute Beweise«, nuschelte Keller. In seinem linken Mundwinkel klebte etwas, das Currywurstsauce sein konnte. Andere Alternativen wollte ich lieber gar nicht erst in Betracht ziehen.
»Am Klingelknopf finden sich Kreidlers Fingerabdrücke, aber an der Toten nicht. In der Wohnung stand eine Tasse, aus der Kreidler Kaffee getrunken hat, bestätigt durch Fingerabdrücke und DNA.«
Wie bitte? Gregor hatte in Sahnes Wohnung Kaffee getrunken?
Er war tatsächlich in ihrer Wohnung gewesen? Er hatte nicht vergeblich geklingelt und war unverrichteter Dinge wieder gefahren? Das Typenschild am Tatort hatte ich ja noch für platziert gehalten, aber je mehr Fingerabdrücke und DNA von Gregor in der Wohnung seiner Exhexe gefunden wurde, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass er tatsächlich dort gewesen war. Und damit wurde es eng.
Stein nickte.
»Die Rechtsmedizin konnte nicht plausibel erklären, wie die Schuppen und Spuren von der Jacke unter die Fingernägel des Opfers kommen, da es von hinten erwürgt wurde.«
Aha, ein Punkt für Gregor.
»Und vor allem fehlt uns bisher das Wichtigste.«
Stein, Keller und der Schönling seufzten, grummelten oder nuschelten im Chor mit Lili Leuchtfee: »Das Motiv!«
Stein schmollte. Keller leckte sich über seine feisten Lippen, dabei entdeckte er mit der Zungenspitze die Saucenreste im Mundwinkel. Er konzentrierte sich darauf, sie abzulecken. »Ich habe einige Fragen, die dringend geklärt werden müssen. Zuallererst die wichtigste Frage bei einer Journalistin: Woran arbeitete sie? Wo ist ihr Computer oder Laptop? Erst wenn wir das wissen, können wir überhaupt mit einer vernünftigen Ermittlungsarbeit beginnen. Bisher war alles, mit Verlaub gesagt, scheiße.«
Ich beschloss, nie wieder fiese Bemerkungen über Emanzenwanzen zu machen.
Martin und Birgit tauchten nicht wieder auf, jedenfalls nicht auf meinem Radar, das ich gelegentlich schweifen ließ. Ich düste nicht in die Wohnung, denn ich wollte keine Sekunde der Soko-Sitzung verpassen, aber die interessantenDinge waren gesagt. Dummerweise musste ich noch stundenlang irgendwelchen kriminaltechnischen Berichten über unwichtige Detailfragen lauschen, bis ich im Rückblick erkennen konnte, dass ich mir das Gesabbel hätte sparen können.
Die Sokos verpissten sich einer nach dem anderen, nur Keller blieb zurück. Er bestellte sich eine Pizza ins Büro und machte Fettflecken in die Akten, während er Blatt für Blatt alle Berichte der Rechtsmedizin, der Kriminaltechnischen Untersuchung und der Zeugenbefragungen durchging. Er schmatzte, rülpste und saugte immer wieder an seinen fettigen Fingern, bis mir übel wurde. Ich musste weg.
Rotköpfchen hatte eindeutig recht gehabt, als sie die Wichtigkeit von Susannes Arbeit betont hatte, nur half
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