Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
eine Leiter, auf der Paulina steht, und eine für mich. Dann beuge ich mich zu ihr herüber, lege die Schlinge um den Hals und ziehe das Seil über den Balken. Und dann stoße ich ihre Leiter weg.«
Jenny nickte.
»Paulinas Leiter bleibt hier liegen, weil sie für den Schauplatz eines Selbstmordes nötig ist, aber meine eigene Leiter nehme ich wieder mit hinaus.«
Birgit ging zur Tür, in der das Fensterglas fehlte und versuchte, die Distanz zwischen dem Fensterchen und der Türklinke mit dem Arm abzumessen.
»Wenn ich mir jetzt vorstelle, ich stünde höher …«
Sie hatte absolut recht. Wenn sie auf einer Leiter, ja selbst wenn sie auf einem Höckerchen stünde und ihre Schulter auf Höhe des Fensterchens wäre, könnte sie mit dem ganzen Arm durch das Loch greifen. Auf diese Art wäre es ein Kinderspiel, den Schlüssel im Schloss herumzudrehen.
Jenny rief die Spusi.
Birgit hatte sich unaufgefordert verzogen, denn es wäre nicht recht erklärbar, warum die schwangere Freundin des Freundes des mordverdächtigen Kollegen von Jenny sich bei einer Tatortuntersuchung befand. Sie schickte mir eine SMS, die ich vom Display ihres Handys ablesen konnte, und startete den Wagen. Statt zu drehen und nach Hause zu fahren, bog sie an der nächsten Kreuzung rechts ab. Sie war auf dem Weg ins Heim.
Ich düste zu Martin ins Institut, denn ich brauchte mal wieder jemanden, mit dem ich direkten Kontakt aufnehmen konnte. Die Simserei mit Birgit war furchtbar umständlich, außerdem gab es momentan zu viele Fronten, an denen wir Präsenz zeigen mussten, als dass wir zwei das alles noch allein schaffen konnten. Mein Plan, Gregor noch vor dem Wochenende in Freiheit zu sehen, war jetzt schon nicht mehr sehr realistisch, aber aufgeben wollte ich noch nicht. Deshalb also: auf zu Martin. Als ich bei ihm eintraf, blieb mir allerdings die Spucke weg. Virtuell natürlich. Keller und Stein standen neben Katrins Schreibtisch und warteten, während sie ihren Computer ausschaltete und die Anrufweiterleitung an ihrem Telefon aktivierte.
»Das ist doch lächerlich«, sagte Martin mit zitternder Stimme. »Erst verdächtigen Sie Kommissar Kreidler und jetzt auch noch Frau Zang. Das wird ja immer absurder.«
»Ich bin sicher, dass sich alles aufklären wird«, sagte Katrin zu Martin. Ihre Wut brodelte wie die Gewitterküche draußen. Ich würde nicht in ihrer Nähe sein wollen, wenn sie explodierte. Obwohl sie mir ja nicht gefährlich werden konnte, immerhin war ich schon tot. Aber wenn Stein, der lackierte Schnösel, oder Keller, der heute einen dicken Marmeladenfleck auf seinem Hemd spazieren führte, sich nicht mächtig vorsahen, wären sie die nächsten beiden Leichen in diesem undurchsichtigen Fall.
Ich blieb natürlich nicht bei Martin, sondern begleitete Katrin, die in die Soko-Zentrale Düsseldorf geschleift und dort befragt wurde.
»Frau Zang, wer kann bestätigen, dass Sie am vergangenen Freitagabend in Renesse waren?«
»Ich habe Ihnen die Namen doch schon genannt«, sagte Katrin bemüht ruhig.
»Wir haben die Damen ja auch gefragt. Allerdings kam bei einer zweiten Befragung etwas sehr Interessantes zum Vorschein. Zwischen Freitagabend zehn Uhr und Samstagmorgen neun Uhr kann niemand Ihre Anwesenheit bestätigen.«
»Na und?«
»Warum haben Sie sich am Freitag aus der gemeinsamen Feier ausgeklinkt?«
Katrin verdrehte die Augen und holte tief Luft, antwortete dann aber trotzdem in einem nur ansatzweise zickigen Tonfall. »Ich hatte Kopfweh und war nicht auf der Suche nach einem Typen für die Nacht.«
»Und da haben Sie sich friedlich ins Bett gelegt und zehn Stunden geschlafen?«
»Nein, ich habe erst zwei Stunden ferngesehen und dann geschlafen. Allerdings nicht bis neun, sondern nur bis sieben. Dann bin ich am Strand joggen gegangen, habe geduscht und war um acht am Frühstückstisch.«
»Ob Sie nun um acht oder um neun im Frühstücksraum saßen, ist mir ziemlich egal«, nuschelte Keller. »So oder so hätten Sie die ganze Nacht Zeit gehabt, um schnell nach Köln und wieder zurück zu fahren, nicht wahr?«
Katrin zuckte die Schultern und schwieg.
»Und da Sie nicht nur die Konkurrentin loswerden wollten, sondern den untreuen Geliebten gleich mit dazu, haben Sie ein paar Indizien in der Wohnung des Opfers verteilt.«
Katrin wurde blass.
»Sie haben das geschickt angestellt«, sagte Stein. Von seinem schmalzigen Gesülze, mit dem er Katrin am Mittwochabend angeschleimt hatte, war nichts mehr übrig. »Erst platzieren
Weitere Kostenlose Bücher