Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
habe einen Schuss gehört. Da bin ich rein.«
»Und?«
Offermann schüttelte den Kopf. »Während ich reinging, fiel der zweite Schuss«, er zeigte auf Krämpel. »Da habe ich den Schützen gestoppt.« Kopfbewegung zu Yuri.
»Beide tot?«
Offermann zuckte die Schultern.
Der Mufti legte Yuri einen Finger an die Halsschlagader, hob die Augenbrauen, pfiff zwei seiner Sturmhaubenträger herein und übertrug ihnen die Aufgabe, den Typen am Leben zu halten. Dann führte er Offermann hinaus und setzte ihn in den Wagen des SEK. Schweigend warteten sie auf das Eintreffen der Sanis und der Spusi.
Ich war ziemlich durch den Wind. Es war gerade mal drei Uhr und Offermann hatte, obwohl erst wenige Stunden mit dem Fall betraut, auf jeden Fall eine, vermutlich sogarzwei Leichen auf seinem Konto. Außerdem waren es genau die beiden, die Jennymaus verzweifelt gesucht und nicht gefunden hatte. Zunächst kapierte ich nicht, wie er die so schnell aufgespürt hatte. Und dann war ich ziemlich angepisst, dass er sie zwar entdeckt, aber auch gleich ausgeknipst hatte. Okay, Yuri war offenbar noch nicht ganz tot, aber das konnte nur eine Frage der Zeit sein. Wem sollten wir jetzt alle unsere schlauen Fragen stellen? Zum Beispiel, warum Yuri seine Angebetete in die Wüste geschickt hatte, obwohl er sie immer noch abgöttisch liebte? Oder ob Paulina sich aufgehängt hatte, weil sie die Trennung nicht verkraftete? Oder ob es zwischen Paulina und Krämpel etwas gab, von dem keiner etwas wissen sollte. Hatte Krämpel seinem Kidnapper die Wahrheit offenbart, weil er um sein Leben fürchtete? Oder hatte Krämpel etwas über Yuri gewusst, der ihn deshalb aus dem Verkehr gezogen hatte? Mann, Offermann, du bist ein cooler Hengst, aber mir wäre es lieber gewesen, du hättest wenigstens einen der beiden vernehmungsfähig gelassen.
Zwei Stunden später saß Offermann im Büro der Kripo in Arnsberg und beantwortete geduldig die Fragen, die ihm ein Brigitte-Nielsen-Double in militärischem Tonfall stellte.
»Wie haben Sie die Hütte gefunden?«
»Die Mutter von Jürgen Gernot hatte meiner Kollegin Jenny Gerstenmüller die Adresse gegeben. Es war der dritte Versuch, nachdem die anderen beiden möglichen Aufenthaltsorte überprüft und ausgeschlossen worden waren.«
»Sie sind außerhalb Ihres Zuständigkeitsbereiches.«
»Ich habe die Kollegen ja gerufen.«
»Nachdem Sie geschossen haben?«
»Nein, davor. Wenn Sie mich das bitte einfach erzählenlassen würden … Also: Ich habe mich davon überzeugt, dass sich Jürgen Gernot in der Jagdhütte aufhielt …«
»Wie?«
»Ich konnte durch einen Spalt im Fensterladen hineinschauen.«
»Weiter.«
»Dann habe ich das SEK gerufen und gewartet.«
»Und warum sind Sie dann ohne das SEK hineingegangen?«
»In der Hütte wurde geschossen.«
»Wie viele Schüsse?«
»Einer.«
»Da sind Sie hineingerannt?«
»Ja.«
»Wie genau ging das vor sich?«
»Die Hütte besitzt hölzerne Läden vor den Fenstern und der Tür. Diese Läden waren offen. Die eigentliche Tür war nicht verriegelt, so dass ich nur die Klinke drücken musste. Der Entführer, Jürgen Gernot, hatte geschossen, der andere Mann war getroffen, stand aber noch aufrecht. Ich habe mich als Polizist zu erkennen gegeben und ihn aufgefordert, die Waffe wegzulegen, aber er hat noch einmal geschossen. Daraufhin habe ich einen Schuss abgegeben.«
»Wo wollten Sie den Mann treffen?«
»Ich wollte den Arm treffen, mit dem er die Waffe hielt, aber er drehte sich in dem Moment zu mir.«
»Sie haben Glück, dass er noch lebt.«
»Er lebt?«
»Hoffen wir, dass er die Operation übersteht.«
Ich fand Yuri, als er gerade aus dem Operationssaal gebracht wurde – immer noch lebend. Wie ich dem Getratsche der Schwestern entnehmen konnte, hatte er diese Tatsache offenbar einer anatomischen Absonderlichkeitzu verdanken, denn anstelle seines Herzens saß genau dort, wo die Kugel eingedrungen war, eine gutartige Verwachsung der Rippen. Das Herz saß weiter außen. Gefährlich war an der ganzen Sache für ihn eigentlich nur die Tatsache, dass die Kugel einige Knochensplitter in das umliegende Gewebe gejagt hatte. Einer dieser Splitter steckte einen halben Millimeter tief im Herz, zwei andere in der Lunge.
Die kleinere Schwester betrachtete den Patienten mit einem ganz unprofessionellen Glanz in den Augen, der allerdings zu flackern begann, als sie den Bullen sah, der vor der Tür der Intensivstation seinen Posten bezog. Yuri galt als gefährlicher
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