Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
schlage ich vor, wir fahren jetzt mal großes Geschütz auf, egal, was das kostet. Holen Sie sich einen Trupp von Kollegen ran, Calabretta, und lassen Sie sämtliche Kliniken und Schlachtereien der Stadt filzen, jeden Ort, an dem so was wie eine Knochensäge stehen könnte. Und wenn Ihren Leuten irgendwas komisch vorkommt, rufen Sie an, ich besorge dann sofort einen Durchsuchungsbeschluss. Außerdem: Müllkippen auf den Kopf stellen und auch noch mal Taucher durch die jeweiligen Hafenabschnitte schicken. Wir brauchen die Körper von Pantelic und Rost.«
»Bene«, sagt der Calabretta. »Das bringt ein bisschen Bumms in die Sache.«
Die Tür geht auf, der Schulle kommt rein. Er hat ein paar Fotos aus der erkennungsdienstlichen Abteilung in der Hand.
»Wir haben ihn«, sagt er.
Da bin ich aber mal gespannt, was unser toter Mann ausgefressen hatte.
*
Ich vergesse immer, dass das hier auch Hamburg ist. Und ich kann nicht glauben, dass es so was gibt, dass Leute so wohnen, dass die das wirklich ernst meinen. Ich weiß, dass ein paar von meinen Kollegen aus der Staatsanwaltschaft auch so wohnen, sogar hier auf der Ecke, aber ich würde im Traum nicht drauf kommen, in eine solche Gegend zu ziehen. Das ist doch pervers. Der Calabretta kurvt ein paarmal um den Innocentiapark und hält dann fluchend in der zweiten Reihe. Auch der Junge aus St. Georg kann seine Abscheu kaum verbergen.
»Scheiß Pfeffersäckehausen«, sagt er, »geht mir das gegen den Strich hier. Überfluss bis zum Abwinken, aber keine Parkplätze für die Polizei.«
Er ist richtig sauer. Geht ja immer so schnell in die Luft, mein neapolitanischer Kollege.
»Ruhig Blut«, sage ich, »nicht wegen dem bisschen Geprotze hier die Nerven verlieren.«
Wenn die beiden älteren Herrschaften gleich erfahren, dass ihr Sohn nie wieder zusammen mit ihnen am Mahagoni-Esstisch sitzen wird, brauchen sie einen ausgeglichenen Kommissar vor sich und keinen Wüterich. Denn danach werden sie arm sein, egal, wie viel Geld sie haben.
Wir gehen an einer schick frisierten Hecke entlang und bleiben vor einem mannshohen schmiedeeisernen Tor stehen. Links über unseren Köpfen hängt eine Kamera. Vor unserer Nase kleben ein goldener Klingelknopf und ein goldenes Schild. Auf dem Schild steht von Lell. Ich drücke auf die Klingel, der Calabretta zückt schon mal seinen Ausweis.
»Ja, bitte?«
Die Gegensprechanlage klingt sauber wie ein CD-Player.
»Kripo Hamburg«, sagt der Calabretta und hält seinen Ausweis in die Kamera. »Dürfen wir kurz reinkommen?«
Es summt und klickt, und das Tor schwingt auf.
Vor uns schlängelt sich ein Weg aus dunkelgrauen Kieselsteinen bis zu einer hellgrauen, dreistöckigen Villa. Auf der Fassade ist edler weißer Stuck verteilt. Links und rechts von uns liegt ein braver Rasen, auf dem humorlos zurückgeschnittene Rosen strammstehen. In der Haustür steht ein Mann in einer grauen Hose, einem weißen Hemd und einem dunkelblauen Pullunder. Der Mann sieht aus, als hätte er sein Leben lang Geschäfte mit den Russen gemacht. Sein Blick ist herzlos.
Der Calabretta stellt uns vor. Herr von Lell verzieht keine Miene. Ich frage, ob wir kurz reinkommen dürfen. Herr von Lell mustert uns, nickt, tritt zur Seite. Der Calabretta will wissen, ob Frau von Lell denn auch da sei. Nein, die ist beim Bridge. Ich schmeiße fast eine Vase um. Entschuldigung.
Der alte Mann setzt sich gleich hinter der Haustür auf einen Sessel, wir bleiben stehen, was aber auch gar nicht anders geht, denn für uns sind keine Sessel da.
»Wir müssen Ihnen eine traurige Nachricht überbringen«, sagt der Calabretta.
Ich glaube, Herr von Lells rechte Augenbraue hat sich gerade ein Stück nach oben bewegt.
»Es geht um Ihren Sohn Hendrik«, sage ich.
Jetzt zuckt die Augenbraue.
»Hendrik lebt nicht mehr. Er wurde ermordet.«
Er schließt die Augen und faltet die Hände im Schoß. Dann macht er die Augen wieder auf und sieht zuerst mich an und dann den Calabretta.
»Wie?«, fragt er.
»Vermutlich wurde er erschlagen«, sagt der Calabretta. »Er war sofort tot. Er hat nicht gelitten.«
Herr von Lell nickt. Er hört nicht auf, uns anzusehen, und sein Blick hat sich in den letzten fünf Minuten, seit er uns die Tür aufgemacht hat, nicht groß verändert. Er reagiert so sparsam auf die News, dass ich mir nicht sicher bin, ob er begriffen hat, wovon wir reden.
»Wir informieren Sie, sobald die Leiche Ihres Sohnes freigegeben ist«, sagt der Calabretta.
»Wenn Sie das bitte
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