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Knecht – Die Schattenherren II

Knecht – Die Schattenherren II

Titel: Knecht – Die Schattenherren II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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nicht wählerisch, richtete sich im Herzen jedes Menschen ein und fraß vieles, um sich daran zu stärken und zu wachsen. Langeweile konnte sie nähren, Hybris, Machtgier. Herrscher waren oft grausam, wahrscheinlich musste man sogar ein gewisses Maß an Grausamkeit mitbringen, um herrschen zu können. Aber der Wunsch, andere zu quälen, war nicht allein den Fürsten vorbehalten. Auch Untertanen verspürten ihn. Die Niederen hatten nur weniger Gelegenheit, ihre Grausamkeit so auszuleben, dass man sie sah. Der Steinmetz, der jeden Tag von seinem Meister geknechtet wurde, schlug daheim seine Frau. Der kleine Junge fing einen Vogel und rupfte ihm beilebendigem Leibe die Federn aus, erfreute sich an seinem schmerzerfüllten Gesang. Bren glaubte nicht alles, was der Kult lehrte, aber daran, dass die Schatten im Herzen jedes Menschen wohnten, zweifelte er nicht. Ob man sie stets nähren sollte, das war eine Frage, bei der er mit den Seelenbrechern nicht übereinstimmte. Ein Mann musste seine Gefühle beherrschen, sonst wurde er von ihnen beherrscht und ließ sich von seinem Pfad abbringen. Die Finsternis war stark, es mochte sogar angehen, dass sie die stärkste Kraft überhaupt war. Aber man musste sich ihrer bedienen, statt zu ihrem Spielzeug zu werden.
    Den Rebellen, ihr Leben lang unterdrückt, waren solche Überlegungen fremd. Dies war die Stunde ihrer Rache. Lange bevor sie Nachtstein erreichten, hörten sie die Schreie der Gemarterten, und das grimmige Lächeln auf den Gesichtern von Brens Begleitern verriet ihre Einschätzung, dass die Folterinstrumente in neue Hände gewechselt waren. Sie behielten recht.
    Nachtstein lag nicht weit entfernt von Blutstein, etwa vier Stunden waren sie marschiert. Es besaß ebenso wenig eine Stadtmauer wie seine Schwesterstadt. Bren spürte Zorn insich aufsteigen über so viel Unfähigkeit in der Kriegführung, wie sie die Jahrzehnte in Tamiod geprägt haben musste. Jeder Hauptmann im Schwarzen Heer hätte die jeweils andere Stadt vernichten können. Ein Jahr Ausbildung für frisch ausgehobene Truppen, dann ein entschlossener Angriff. Aber der Sieg war ja gar nicht der Zweck gewesen. Den Krieg als solchen hatten Lisanne und die Brüder gewünscht, die Unsicherheit, die Ängste wachhielt, und die Erfolge, die Triumphgefühle anstachelten. Beständige Brücken für die Lebenskraft, die sie den Menschen in ihren Träumen entzogen hatten. Bren hatte studiert, worauf die Macht in verschiedenen Reichen gründete. In Ondrien hing sie von der Nähe zu den Schatten ab, vor allem zu ihrer greifbarsten Verkörperung, dem SCHATTENKÖNIG . In Ilyjia war die gesellschaftliche Etikette wichtig, bei den Fayé die Zugehörigkeit zu einer Fallan, einer Art Sippenverband, den man allerdings auch wechseln konnte. In Bron zählteallein Kraft, in Milir musste man eine lange Ahnenreihe haben und sich zudem mit dem Schwert beweisen. Die Seeräuber von Flutatem hielten die offene Zurschaustellung von Gier und die erfolgreiche Befriedigung derselben in Ehren. Waffenstahl, die Gnade jenseitiger Mächte, Gold – das fand man in verschiedenen Anteilen immer wieder. Tamiod war anders gewesen. Hier hatte alles von der Inspiration abgehangen, der schöpferischen Gedankenkraft und der Fähigkeit, sie gegen die schlafenden Mitbürger einzusetzen. Die Elite der Insel hatte aus Künstlern und Traumlenkern bestanden. Jetzt brach die Zivilisation zusammen, fiel zurück in primitivste Barbarei.
    Bren vermutete Elutan in der Pyramide. Sie war das mit Abstand wuchtigste Gebäude, und wenn er seinem verstorbenen Bruder ähnelte, brachte er nicht genug Verstand auf, um zu begreifen, dass seine Welt gerade zu Staub zerfiel und er deswegen besser die Flucht ergriffe.
    Zu Brens Verwunderung war die Sonne noch immer nicht aufgegangen. Die Dunkelheit schien hartnäckiger, als selbstLisanne erwartet hatte. Trotz der verdämmernden Leuchtpflanzen und des bedeckten Himmels war es in Nachtstein hell. Viele Häuser brannten. Für Handlungen ähnlich denen, die ihr Feuerschein offenbarte, hatte Bren bereits Untergebene hinrichten lassen. Sie schürten Unmut unter den Besiegten, waren Garanten für die nächste Rebellion.
    Aber das interessierte die Rebellen nicht, und hier, in Tamiod, war es auch nicht Brens Sache, wenn Besiegte bei lebendigem Leibe an Haustüren genagelt wurden, wenn jemand menschliche Ohren auf eine Schnur zog, damit er sie als Kette um den Hals tragen konnte, wenn man Traumlenkern ihre Genitalien zu essen gab, wenn

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