Knecht – Die Schattenherren II
Gegner kennengelernt. Velon schleuderte etwas gegen seine Brust, wie eine finstere Flammenzunge.
Goran brach stöhnend in die Knie.
Velons Finger krampften sich zu Klauen, als er näher kam. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze des Hasses. »Ja!«, zischte er. »Zeig mir deinen kümmerlichen Verstand, du unreifes Blag! Gib mir alles davon!« Mit schnellen Schritten war er bei ihm, schlug ihm die Krallen in den Kopf.
Goran schrie, als Velon die Daumen in seine Augen presste. Bren war froh über die Finsternis, die um die Hände wallte und so den Blick auf die Zerstörung verhüllte, die die Fingernägel anrichten mussten.
»Gib mir alles!«, quetschte Velon zwischen den Zähnen hervor. »Jetzt erkennst du die Macht der Schatten! Lerne, was Schmerz ist! Das Kinderspiel ist aus!«
Lisanne schien nicht abgestoßen von dem Schauspiel. Voller Würde schritt sie darauf zu. Eine Weile sah sie es sich an, bevor sie seufzte: »Genug, Velon. Keine Kindereien mehr.«
Der Schattenfürst schien den Schädel seines wimmernden Opfers auseinanderreißen zu wollen, besann sich dann aber. Der Zorn erstarrte auf seinem Gesicht, als er zurücktrat.
Gorans Augen waren Wunden, aus denen schwarzes Blut über die runden Wangen lief. Bren hatte zu viele Verletzungen gesehen, als dass diese seinem Magen Probleme bereitet hätte, obwohl sie zu den schlimmeren gehörte. Man sah ständig anderen Menschen ins Gesicht, deswegen hatte man eine genaue Vorstellung davon, wie es aussehen musste. Eine Verletzung wie diese kam einem besonders falsch vor, mehr, als es bei einem verkrüppelten Glied der Fall war.
Lisanne strich über Gorans Hinterkopf. »Du warst mir ein guter Sohn.«
Bren wusste, dass ein Schattenherr jede Verletzung heilen konnte, die nicht mit Silber geschlagen war. Wenn Goran Zeit und vor allem Essenz erhielte, würde seine Auseinandersetzung mit Velon keine Spuren hinterlassen.
Kirettas Schritte waren erst zu hören, als sie beinahe bei ihnen angekommen war. Sie kam über die Wendeltreppe, die im Zentrum der Plattform ins Innere der Pyramide führte. Ribunns rechten Arm hatte sie sich über die Schultern gelegt. Wo der linke hätte sein sollen, hingen Fleischfetzen aus der Schulter, baumelten um den gesplitterten Ansatz eines Oberarmknochens. »Sie haben ihn gefressen«, murmelte er in einem fort.
Hinter ihm stiegen weitere Piraten herauf, auch einige Rebellen, die allesamt Spuren von Misshandlungen zeigten, wenn auch nicht so deutlich wie ihr Anführer. Sie alle knieten nieder, niemand vermochte sich der Ausstrahlung der Schattenherzogin zu entziehen.
Lisanne beachtete die Menschen nicht, ihre Aufmerksamkeit war ganz bei Goran. Er atmete heftig, was ungewöhnlich für einen Osadro war. Die Unsterblichen brauchten keine Luft zum Leben, sie verwendeten sie nur, um sie an den Stimmbändern vorbeistreichen zu lassen, wenn sie sprachen. Erinnerte sich sein Körper an die Sterblichkeit?
»Ich gab dir alles an Leben, woran du dich erinnern kannst«, flüsterte Lisanne. »Jetzt fordere ich es zurück.«
Gorans Atem stockte. Er warf den Kopf in den Nacken, riss den Mund weit auf, aber kein Laut fand hinaus. Es war ein absurder Anblick, wie er dort mit zur Seite geworfenen Armen kniete und die Schultern immer weiter nach hinten drückte, während sich seine Hüfte seiner Göttin entgegenreckte, als würde sie mit Gewalt dorthin gezogen. Sein malträtierter Körper hielt den widerstreitenden Kräften nicht stand. Mit trockenem Krachen brach das Rückgrat an mehreren Stellen. Seine Schultern klappten auf sein Gesäß wie die Seiten eines Buchs, das man zuschlug. Bren sah weg. Sein Blick fand Kirettas blaue Augen.
Noch immer murmelte Ribunn vor sich hin, auf den Knien wankend. »Die Chaque haben meinen Arm gefressen. Ich habe es genau gesehen.« In seinen Augen flackerte der Wahnsinn.
»Wie sieht es drinnen aus?«, wollte Bren wissen.
»Sie sind orientierungslos«, sagte Kiretta. »Gehen ein paar Schritte in eine Richtung, wenden sich dann in eine andere. Wenn sie jemals ins Freie finden, dann aus Zufall. Einem Schläfer können die Chaque gefährlich werden, wenn sie in ihn hineinlaufen. Sie hacken auf alles ein, was ihnen zu nahe kommt. Solange man ihnen ausweicht, hat man kaum etwas zu befürchten.«
Er nickte. Ribunns Geist war offensichtlich an einem Ort, an dem ihn niemand erreichen konnte. Bren kannte das von Schlachtfeldern. Bei manchen überlebte nur der Körper, andere hatten auch mit zerschlagenen Armen und
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