Knecht – Die Schattenherren II
Berge über dem Wasser. Er lauschte, bis er aus dem Rufen draußen den Namen »Kiretta!« heraushörte. Seufzend zog er die Stiefel wieder an. »Du bleibst hier!«, befahl er Sutor, als er an Deck ging. Seine Hand griff ins Leere, bevor ihm einfiel, dass sein Morgenstern bei einem Krieger war, der die Stachelkugel von Blut, Hirn und Knochensplittern reinigte.
Von Brens Leuten war kaum jemand an Deck, die meisten erholten sich bereits von den Kämpfen der Nacht. Ihre Hängematten waren unter Deck aufgespannt, um die Kutsche herum, in der die Schattenherren ruhten. Ein Kamerad war gefallen, vier verletzt – für die Eroberung einer Stadt ein lächerlich geringer Preis.
Zu den Matrosen der Mordkrake hatte sich seit ihrem Aufbruch aus Flutatem ein weiteres Dutzend Halsabschneider gesellt, die auf Gold aus Ulriks Raubzügen hofften. So standen etwa dreißig Seeleute an der Backbordreling, wo ein Matrose mit einem Enterhaken ein Seil hochzog, an dessen Ende eine Schweinsblase befestigt war. Wasser rann von dem nassenTau. Ulrik stand breitbeinig und mit zufrieden verschränkten Armen etwas abseits und beobachtete das Spektakel.
»Was geht hier vor?«, fragte Bren. »Warum sind die Segelgerefft?« Sie waren noch nicht weit gekommen, Ejabons Kastelle waren noch deutlich zu erkennen. Man sah sogar, auswelchen der Fenster der nördlichen Festung die Flammen schlugen. Die südliche war verschont geblieben. Die Faulheit der Piraten hatte sie gerettet, keiner von ihnen hatte über die Meerenge setzen und seine Leute den Hügel hinaufführen wollen, um eine Anlage zu zerstören, in der es kein Gold zu rauben gab.
»Weil es nicht weise wäre, Segel auf einem Schiff zu setzen, das vor Anker liegt.«
»Wir ankern? Wieso? Die anderen Segler warten doch auch nicht!«
»Schon vergessen, General? Meine Mordkrake ist das schnellste Schiff auf diesem Meer. Wir werden sie schon wieder einholen. Heute Mittag liegen wir gemeinsam vor Gateia, wie abgesprochen, und beraten mit den Kapitänen das weitere Vorgehen.«
In Ermangelung des Morgensterns suchte Brens Handan seinem Dolch Halt. »Keine Spiele, Ulrik. Was geht hier vor?«
Ulrik konnte erstaunlich breit grinsen. »Auf jedem Schiff gibt es nur einen Kapitän.«
An Steuerbord standen zwei Mann, die ein Seil gefasst hatten, das hinter der Reling verschwand. Möglich, dass es sich um das gleiche Tau handelte, dessen anderes Ende gerade an Backbord heraufgeholt worden war.
»Ich weiß, und ich habe Eure Position nie angezweifelt.«
»Was auch sehr klug war, denn für eine solche Dreistigkeit müsstet Ihr mit der Klinge einstehen. An Land mögt Ihr ein großer Mann sein, aber hier bin ich der König.«
»Da das nun geklärt ist – was soll das Theater?«
»Nicht jeder ist so einsichtig wie Ihr, General. Aufsässigkeit werde ich auf der Mordkrake ebenso wenig dulden wie Ihr in Eurem Heer.«
»Zieh den Knoten ruhig stramm!«, hörte Bren Kiretta rufen. »Mich werdet ihr nicht so schnell los!«
Jetzt erst fand er sie in der Mitte der Mannschaft. Zwei kräftige Kerle hielten sie, wobei sich die Hand des einen an ihre Brüste verirrte. Er gab sich keine Mühe, es als Versehen erscheinen zu lassen. Die anderen grölten.
»Bind ihr die Beine zusammen! Das macht den Tanz interessanter!« Er nestelte an der Verschnürung ihres Hemds.
»Vorsicht, Genner!«
Er zuckte vor dem blitzenden Haken zurück, den sie erst kurz vor seinem Gesicht aufhielt.
»Treib es nicht zu weit!«, fauchte Kiretta.
Knurrend zog er sich zurück.
Bren stieß die Piraten zur Seite. Einer von ihnen hockte vor Kiretta und war damit beschäftigt, das Tau um ihre Unterschenkel zu schnüren.
»Was habt ihr vor?«, rief Bren.
Mit langsamen Schritten trat Ulrik neben ihn. »Man nennt es ›kielholen‹. Die gute Kiretta war etwas aufsässig in letzter Zeit. Plappert ungefragt ihre Meinung heraus, bis mir die Ohren bluten. Für so jemanden ist kein Platz auf meinem Schiff. Also geben wir ihr Gelegenheit, zu erproben, ob es ihr unter meinem Schiff besser gefällt.«
»Ihr werdet sie unter dem Rumpf durchziehen«, erkannte Bren.
»So ist es«, bestätigte Ulrik zufrieden. »Sie wird alle Qualen einer Ertrinkenden erleben. Ihr Glück, dass wir den Rumpf immer schön instand gehalten haben, deswegen werden ihr auf dem Weg wohl nur wenige Muscheln begegnen. Vielleicht findet sie dennoch eine, die ihr den Rücken aufschlitzt. Das soll schon vorgekommen sein.«
»Ihr müsst den Verstand verloren haben! Jeder sagt, sie
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