Knecht – Die Schattenherren II
obwohl Bren das nie beobachtet hatte.
»Je nachdem, welche Kämpfer den Krieg für sich entscheiden, gehen die Preise an den Sieger über?«, fragte Bren.
»Ja. Sie alle sind hervorragende Künstler ihrer Städte. König Goran hat sich selbst ausgesucht, wen er fordert.«
»Dann war er in Nachtstein? Der Hauptstadt seines Feindes?«
»Der Residenz seiner Bruders, ja.« Gerriar zögerte, dann hielt er an und wandte sich um. »Hört zu, Bren Stonner. In Eurer Heimat, wo die Sonne steigt und sinkt, mögt Ihr ein guter General sein. Dass Ihr kämpfen könnt, habt Ihr bewiesen. Aber hier zählt das nicht viel. Unsere Kriege werden anders ausgefochten. Diese Kämpfer dort, die jungen Leute mit der eingeölten Haut, werden über Wohl und Wehe ihrer Städte entscheiden. Dörfer werden bald ihre Besitzer wechseln, vor allem aber diese Künstler. Wenn ich Eure Begleiterin gestern recht verstand, würden in Eurer Heimat große Heere bis zur gegenseitigen Vernichtung miteinander ringen, um den gleichen Ausgang zu erreichen. Hier ist es anders. Dieses Mal wird Blutstein triumphieren, oder Nachtstein wird siegen. Das nächste Mal wird es vielleicht anders sein. Dort unter dem Baum«, er zeigte auf eine Gruppe von vielleicht zehn prunkvoll gewandeten Menschen, unter denen Bren einige vom Empfang auf der Pyramidenspitze wiedererkannte, »werden die Edlen träumen. Sie sind die besten Traumlenker Blutsteins, und an anderer Stelle werden sich die fähigsten Nachtsteins versammeln.«
»Was bedeutet das – träumen?«, fragte Alenias.
»Sie senden ihren Geist aus und nehmen Anteil.«
»Am Krieg?«, fragte Bren.
»Am Geschick der Kämpfer, ja.«
»Und diese Kämpfer klettern auf den Baum, um sich gegenseitig umzubringen?«
Gerriar zuckte mit den Schultern. »Das können sie, wenn sie es wollen. Sie können auch versuchen, dem Kampfplatzzu entkommen, was ihre Gefährten geschwächt zurücklassen wird. Dazu finden sie oben am Baum Staubbeutel, mit denen sie die Chaque für kurze Zeit lähmen können. Sieger ist, wer den Traumkristall findet und den Brüdern bringt. Die siegreichen Kämpfer werden geehrt und steigen in die Reihen der Traumlenker ihrer Heimatstadt auf. Die Verlierer fallen unter die Säbel der Chaque.«
»Dann sollte ein Verlierer besser auf dem Baum bleiben«, sagte Bren.
Gerriar grinste. »Dort oben ist angeblich schon jemand verhungert. Er ist noch nicht einmal heruntergekommen, als man seine Familie neben dem Stamm verbrannt hat.«
»Vielleicht war seine Frau hässlich«, meinte Alenias trocken.
Sie setzten ihren Weg fort, gingen die gesamte Runde bis zu ihrem Ausgangspunkt. Die zweite Begegnung mit dem Offizier aus Nachtstein glich im beiderseitigen stummen Gruß der ersten.
»Die Schnaken scheinen sie zu plagen.« Gerriar zeigte auf die Ondrier an der Kutsche, die kaum stillstanden.
»Sie werden nicht daran sterben.«
»Einige der Biester bringen Fieber. Ich lasse Euch eine Salbe schicken, deren Geruch sie fernhält.« Er sah Alenias an. »Ihr scheint nicht von ihnen belästigt zu werden.«
»Mein Volk traf vor langer Zeit eine Übereinkunft mit Tieren aller Art. Wir meiden uns.«
Eine eigenwillige Beschreibung dafür, aus dem Wirken der Götter ausgestoßen worden zu sein, dachte Bren.
Als Gadior und Velon zurückkamen, wurden sie von den beiden Königen begleitet. Bren fand, dass sich Elutan und Goran nicht besonders ähnlich sahen, außer, dass sie offenbar in einem ähnlichen Alter in die Schatten getreten waren und dem gleichen Volk entstammten. Ihre bleichen Körper waren die von Achtjährigen, aber Elutans Nase war gerader und spitzer als die Gorans. Überhaupt war sein Gesicht weniger fett, und er war etwas größer. Seine Kleidung bestand aus einer veredelten Version der Gewandung seiner Untergebenen, die Steine waren aus Obsidian geschnitten, das Netz, das sie hielt, aus irisierenden Pflanzenfasern geflochten. Auch er trug eine Krone, eng gezackt und aus einem schwarzen Metall geschmiedet. Auf seinem hellen Schädel sah sie aus wie ein Riss.
»Bruder«, sagte Elutan, als sie die Kutsche erreichten, »mir kommt gerade ein außergewöhnlicher Gedanke für diese außergewöhnliche Stunde. Wie wäre es, wenn wir den Einsatz für Blutstein veränderten?«
Goran runzelte die Stirn. »Hast du dir die Künstler nicht selbst erwählt?«
»Jetzt hast du Besseres zu bieten.« Er wies auf die Osadroi. »Warum sollst nur du in den Genuss dieser äußerst unterhaltsamen Fremden kommen? Nimm deine
Weitere Kostenlose Bücher