Knecht – Die Schattenherren II
leuchtenden Buschs wirkte sie verlegen. »Wir beide, General, waren recht eng verbunden. Für einen Moment fühlte und sah ich, was Ihr saht. Sogar als Ihr …«
»Als ich was?«
Sie räusperte sich, widmete ihre Aufmerksamkeit wieder dem Öllappen an ihrem Haken. »Ich weiß jetzt, wie Männer den Höhepunkt der Vereinigung empfinden.«
Unschlüssig presste Bren die Lippen zusammen. »Und Ihr habt die Traumgöttin gesehen?«
»Ich dachte, ihr Haar hätte schwarz sein müssen. Nicht weiß. Alles an ihr war weiß.«
»Im Traum sehen wir nie die Wirklichkeit.«
»Wie habt Ihr sie dann erkannt?«
Er ging schneller. »Ich weiß nicht viel von ihr, aber alle Berichte stimmen darin überein, dass Lisanne das schönste Wesen ist, dessen Fuß jemals festen Boden berührte.«
»Dann erging es nicht nur mir so. Wisst Ihr, ich fühlte mich nie zu meinem eigenen Geschlecht hingezogen, dazu weiß ich das edelste Teil des Mannes zu sehr zu schätzen. Aber bei ihr … Nein, es war nicht meine Wollust, die mich gefangen nahm. Es war anders, ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll.«
»Der Kult spricht von Hingabe.«
»Ja. So war es wohl.«
Den Rest des Aufstiegs brachten sie schweigend hinter sich.
Auf dem Pass warteten Alenias und Gadior. Pulsierender Feuerschein beleuchtete sie. Bren hielt inne, als er den Berg sah. Seine Form war dem Traumbild ähnlich, er war ein beinahe vollkommener Kegel, aber er stand nicht einsam, sondern war von anderen Bergen umgeben. Flüssiges Feuer rann von seinen Flanken, strahlte manchmal hell, gloste an anderen Stellen dunkel. Dünner Dampf lag über ihm, wo der Regen wagte, ihm zu nahe zu kommen.
Die Chaque setzten ihren Weg unbeeindruckt fort.
Sutor ruinierte die andächtige Stimmung, als er direkt neben Bren sein langes Fell ausschüttelte. Die Wassertropfen flogen dicht wie Hagelschauer in alle Richtungen. Gadior rümpfte die Nase und ging einen Schritt zur Seite. Kiretta lachte. Sie wollte Sutors Rücken tätscheln, hielt sich aber zurück, als der Hund sie anknurrte.
Bren ging neben Sutor in die Hocke und legte den Arm um den kräftigen Leib des Tiers. »Er ist nicht zahm«, erklärte er. »Mich duldet er, weil er auf mich geprägt ist. Ich habe ihn mit Wolfsmilch genährt, als er noch ein Welpe war. Euch wird er niemals auf diese Weise vertrauen.«
»Er ließ sich schon von mir streicheln.«
Bren zuckte die Schultern. »Solche Dinge ändern sich.«
Gorans Träger hielten neben Bren. Der König zog den Vorhang zur Seite. »Dies ist der Ort meiner frühesten Erinnerungen«, sagte er. »Niemals hätte ich gedacht, dass ich ohne Einladung der Traumgöttin hierher zurückkehren würde.«
Bren überlegte, warum es ihm so normal vorkam, wenn Goran von Lisanne als von einer Göttin sprach. War auch er von der Verehrung ergriffen, die Kiretta geschildert hatte? Ohne dass er sich dessen bewusst gewesen wäre?
Er schüttelte den Kopf, als er den Weg fortsetzte. Lisanne war eine Schattenherzogin. Wenn selbst ein SCHATTENKÖNIG , der über Götter triumphiert hatte, ihr solchen Respekt entgegenbrachte, wie ELIEN VITAN es tat – dann begegnete er, Bren, ein Sterblicher, ihr wohl besser auch wie einer Göttin.
Bren hatte nicht geahnt, wie viele Farben Feuer haben konnte. Der aus Basalt gehauene Weg führte durch Becken mit weiß flimmernder Glut, deren Oberfläche so fest schien wie die eines Kampfschilds, mit träge fließendem, rotem Magma, in dem schwarze Brocken trieben, mit gleißend gelben Strudeln, aus denen zischende Fontänen aufstiegen. Die Becken waren wie Beete in einem Garten. Das wenige, was ihn von dem Nieselregen noch erreichte, war Bren eine willkommene Abkühlung. Der Basaltweg war kaum breiter als die Kutsche, machte abrupte Biegungen und fiel an einigen Stellen in einer solchen seitlichen Schräge ab, dass die Chaque Mühe hatten, ihre Maultierkarren abzustützen. Bren dirigierte seine Krieger, um ein Abgleiten der Kutsche zu verhindern. Einer rutschte selbst aus, und Bren bekam ihn gerade noch rechtzeitig zu fassen. Der Fuß des Kriegers tauchte in rote Glut, aber er konnte den Stiefel schnell genug abstreifen, sodass die Haut nur leicht verbrannt wurde. Er umwickelte sie mit einem Fetzen Stoff und marschierte weiter. Bren fühlte Stolz auf das Pflichtbewusstsein, das Ondriens Truppen auszeichnete. Er war ein General. Er hatte dieses Heer mitgeformt.
Der Weg führte nun zwischen hoch auflodernden Flammen aufwärts. Bren wechselte sich mit den Kriegern ab, um
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