Knecht – Die Schattenherren II
betrachtete eine Blume, die aus Rosenquarz geschnitten war. Die Blüte, obwohl steinern, bewegte sich in einem unfühlbaren Hauch.
Alenias starrte auf einen Wirbel aus Rauch. Bren fand ihn eher unspektakulär, vor allem inmitten der Kleinodien, die diesen Saal füllten, aber die Sinne des Fayé mochten ihm andere Einsichten gewähren.
Bren wusste nicht, warum er sich der Tür zuwandte, die mit einem Rahmen aus Rubinen verziert war, aber es konnte kein Zufall sein, denn die anderen taten es zur gleichen Zeit. Kurz nur sah er die Frau in dem nachtschwarzen Kleid, das sich hart gegen die schneeweiße Haut abgrenzte. Ihre Lippen waren rot wie süßer Wein, über den Augen hatte sie blaue und grüne Farbe in der Form von Vogelschwingen aufgetragen. Ihr schwarzes, glattes Haar fiel bis zu ihrer Hüfte, ein blauer Schimmer lag darauf. Die Hände liefen in langen Fingern aus, filigrane Krallen drohten wie Stilette.
All das erfasste Bren binnen eines Herzschlags. Dann wurde sein Blick gen Boden gezwungen. Er kniete so heftig nieder, dass es beinahe schon ein Sturz war. Seine Fäuste prallten auf den Boden, die Ehrfurcht drückte gegen seinen Nacken wie ein Joch. Neben sich hörte er Kirettas Knie auf den Boden schlagen.
Bren zitterte.
Womit hatte er nur sein Leben verschwendet?
Warum war er nicht viel früher hierhergekommen?
Welchen Sinn hatte eine Existenz, die nicht dieser Frau diente? Gab es die Welt aus einem anderen Grund, als Lisanne zu Gefallen zu sein?
Als er das Brennen in seiner Brust nicht länger aushielt, holte er vorsichtig Luft, wagte es jedoch nicht, aufzublicken.
Niemals hatte er solche Schönheit gesehen wie in dem kurzen Moment zuvor. Sie war sphärischer als in seinem Traum! ›Vollkommenheit‹ war nun ein sehr greifbarer Begriff fürihn. Welch unverdiente Gnade! Ein solcher Anblick war ein Menschenleben wert. Nein, hundert Menschenleben! Niemand konnte ein Recht darauf haben, selbst für einen Gott wäre das Verlangen danach ein Frevel gewesen.
Und dennoch. Bren konnte nicht widerstehen. Langsam, ängstlich, hob er die Augen.
Alenias kniete ebenso wie Kiretta und er. Die Osadroi standen noch, was Bren stille Bewunderung abnötigte, hatten aber die Köpfe demütig gesenkt. Lisanne verharrte einige Schritt vor der Rubintür. Alle Kunstwerke wurden durch ihre Gegenwart zu dem Gestümper von Dilettanten, wie Burgen, die Kinder im Sand zusammenschoben.
Velon trat zu ihr, kniete nieder und bot ihr mit beiden Händen die Elfenbeinkrone dar. » ELIEN VITAN , die Welt erzittere vor SEINEM Namen, begehrt, dass Ihr in Euer Eigentum zurückkehrt, Hoheit.«
Lisanne ließ ihn knien, ging um ihn herum. Sie bewegte sich mit der Eleganz einer Feder, die auf einem sanften Windhauch glitt. »Warum bringst du sie zu mir, Goran?« Jeder Sänger hätte beide Augen für diese Stimme gegeben und jeder, der Musik genoss, hätte sich mit Freuden beide Ohren durchstechen lassen, wenn er sie zuvor einmal hören dürfte.
»Sie ließen mir keine Wahl, o Göttin der Träume. Sie drohten mit meiner Vernichtung und der meiner Stadt.«
»Und warum hast du nicht diese gewählt?«
»Ich hoffte, Euch wäre an meiner Existenz gelegen.«
Bren konnte den Blick nicht mehr von der Schattenherzogin wenden. Ein neues Gefühl wallte in ihm auf. Wie hatten sie es wagen können, hierherzukommen, und Lisanne so zur Last zu fallen? Niemals hätten sie hier eindringen dürfen! Hätte er die Kraft gefunden, sich zu bewegen, wäre Bren davongerannt, um sie nicht länger mit seinem Anblick zu beleidigen.
»Ich bitte Euch, bleibt bei uns, Göttin«, hauchte Goran. Er wirkte verletzlich, wie er in seinem kleinen, kindlichen Körper neben Gadior stand. »Ohne Euch endet der Traum.«
Lisanne kam auf Bren zu. Er wollte seinen Blick zu Boden zwingen, aber es gelang ihm nicht. Er brauchte seinen ganzen Willen, um zu atmen.
Lisanne blieb vor Kiretta stehen. »Zeig mir das, Kind«, verlangte sie und streckte die Hand aus.
Bren verstand nicht, was sie meinte, aber Kiretta nickte untertänig. Sie setzte sich auf und hob ihre Rechte, bot Lisanne den Haken dar.
Die perfekten Finger strichen darüber, fuhren den Bogen nach. Kiretta hatte den Schleifstein immer gewissenhaft benutzt, Bren konnte sehen, wie der Stahl in das weiße Fleisch schnitt. Lisannes Braue zuckte. Auch er empfand es als Erlösung, als sich die Wunde spurlos schloss, sobald die Osadra den Finger vom Haken löste, und damit die Störung in der ansonsten makellosen Ästhetik ihrer
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