Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knecht – Die Schattenherren II

Knecht – Die Schattenherren II

Titel: Knecht – Die Schattenherren II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
Vom Netzwerk:
beenden.«
    Goran wich zurück. Sein verbliebener Traumlenker hielt es nicht länger aus, er rannte davon. Niemand hinderte ihn.
    Velon legte die Fingerkuppen aneinander. »Vielleicht bietet Ihr uns ja etwas Interessanteres, als Euer Reich zu zerstören.« Nach einer Pause setzte er hinzu: »Die Wahrheit.«
    Gorans Zähne knirschten. »Wahrheit formt sich in jedem Geist anders.«
    »Ist das eine Einladung, direkt in Eurem Verstand nachzusehen?«, lauerte Gadior. Bren wusste nicht, ob er das bei einem anderen Osadro tun konnte. Bei menschlichen Opfern war er bereits einmal Zeuge geworden, wie ein Schattenherr gegen dessen Willen Wissen aus seinem Kopf gerissen hatte. Der Vorgang hatte einen sabbernden Idioten zurückgelassen.
    »Beginnen wir mit etwas Einfachem«, sagte Velon. »Ihr seid nicht ewig. Lisanne hat Euch geschaffen. Euch und Euren Bruder.«
    Goran sah aus dem Fenster, wo seine Chaque unbewegt standen, als er antwortete: »Wir haben keine Erinnerung daran, einmal anders gewesen zu sein.«
    »Offensichtlich wart Ihr sehr jung, als Ihr in die Schatten geführt wurdet«, stellte Bren fest. Sie haben niemals ein echtes Leben gehabt.
    »In unserem Geist, in unseren Träumen gibt es kein Davor. Wir können nicht von uns denken als von Säuglingen oder Kindern, die kaum gehen können, wie wir es bei den Menschen sehen. Wir altern auch nicht, wie sie es tun.« Er sah auf den toten Traumlenker, der in den letzten Momenten seines Lebens Jahrzehnte verloren hatte. »Sie welken, verfallen, legen sich nieder und stehen nicht wieder auf. Elutan und ich jedoch sind nur. Keine Krankheit, kein Alter, keine Narbe. Eine Zeit lang haben wir uns herausgefordert, uns möglichst schwer selbst zu verstümmeln. Kein Zeichen der Verletzung blieb zurück.« Er hob den linken Arm. »An der Schulter habe ich ihn mir abgeschnitten. Er vermoderte, aber nicht schneller, als ein neuer nachwuchs.«
    »Ich gebe Euch einen guten Rat«, flüsterte Gadior. »Langweilt uns nicht mit Erzählungen Eurer Kinderspiele. Ihr wurdet erschaffen wie wir, und ich bin um ein Mehrfaches älter als Ihr.«
    Zudem habt Ihr bewiesen, dass Ihr in den Schatten überleben könnt, dachte Bren. Die Machtkämpfe unter den Osadroi waren langsamer, aber erbarmungsloser als Feldzüge. Unsterbliche hatten ein besonders gutes Gedächtnis für ihre Feinde. Sie durften einander nicht töten, aber sie waren Meister darin, Umstände herbeizuführen, die den Tod eines Rivalen zur Folge hatten.
    »In einem habt Ihr unrecht, geschätzter Gefährte«, sagte Velon. »Sie gleichen uns nicht gänzlich. Sie haben ihre Herzen nicht dem SCHATTENKÖNIG dargebracht.«
    Goran trat an das Fenster. Was sah er dort draußen? EinKönigreich, dessen Asche bald im Wind triebe? Immerhin war er klug genug, um zu erkennen, dass seine Truppen ihm nicht helfen konnten. Bevor die Chaque den Palast betreten hätten, hätten die mystischen Kräfte der Osadroi ihn schon zerrissen.
    »Ihr sagt, die Traumgöttin, die Ihr Lisanne nennt, habe mich und meinen Bruder geschaffen. Das denken auch wir. Aber hat die Traumgöttin nicht alles geschaffen? Alle Wirklichkeit ist zunächst ein Traum, ein Wunsch oder eine Angst, bevor sie sich verfestigt.«
    »Für die ewige Dunkelheit über diesem Land gilt das auch, nicht wahr?«, fragte Bren. »Es gab eine Zeit, in der die Sonne jeden Tag aufging, und Ihr habt sie erlebt.«
    Diese Bemerkung nahm Goran die Kraft. Seine Gestalt sackte zusammen. »Ja«, flüsterte er kaum hörbar. »Die Traumgöttin hat die Sonne erst später verbannt. Wir haben die Erinnerung daran beinahe getilgt. Wenn sich niemand mehr an etwas erinnert, und wenn es nie wieder geschehen wird – ist es dann überhaupt noch wirklich? Wenn die Sonne aus der Wirklichkeit sinkt – ist die Dunkelheit dann nicht wahrhaft ewig?«
    Bren atmete tief ein. Er genoss das Gewicht des Morgensterns auf seiner Schulter. Etwas willkommen Vertrautes in diesen Momenten, die ihm so fremd waren. »Viel Zorn ist in uns. Für Euch wäre es gut, wenn wir fort wären.«
    Goran sah ihn an. »Was verlangt Ihr dafür?«
    »Eure Unterwerfung. Sonst habt Ihr nichts, was Ihr uns geben könntet. Ihr habt aber auch nicht das, um dessentwillen wir gekommen sind. Wir suchen Lisanne. Sie ist auf der Feuerburg, nicht wahr? Dort, wohin Ihr die erlesensten Kunstwerke schickt und wohin die Chaque die Köpfe ihrer Feinde bringen.«
    Er blickte Bren lange an und nickte stumm.
    »Und Kinder. Als wir ankamen, waren Kinder aus einemFischerdorf

Weitere Kostenlose Bücher