Knigge fuer Individualisten
gelaunt, schlecht gelaunt? Einen ersten Eindruck von
einer anderen Person haben wir sehr schnell. Die Wahrnehmungspsychologie
weiß, dass wir unser erstes Urteil über einen anderen Menschen spontan
fällen. Sind es sieben, drei oder zwei Sekunden? Je jünger die
Veröffentlichung zu diesem Thema, desto kürzer die Zeitspanne, die für die
Dauer der ersten Urteilsbildung angesetzt wird. Derzeit ist von 200
Millisekunden (1/5 Sekunde!) die Rede. Danach untersuchen wir für die im
Vergleich »ewig lange« Dauer eines Atemzugs – nämlich zwei bis drei Sekunden
–, ob sich der erste Eindruck bestätigt. Diese beiden ersten Einschätzungen
prägen die weitere Beziehung nachhaltig. Wobei kein Wissenschaftler
behauptet, dass sie zutreffend sein müssten. Das wissen wir aus Erfahrung
selbst. Dennoch prüfen wir sogar bei jedem Treffen mit einer bekannten
Person, wie sie denn heute »drauf ist«. Sie tun das, ich, wir alle.
Unwillkürlich.
Hallo, servus, guten Tag …
Wollen Sie Ihren Eindruck auf Anhieb positiv
gestalten? Dann achten Sie auf Ihre Art zu grüßen und zu begrüßen. Zeigen
Sie Ihrem Gegenüber: Ich nehme dich wahr, ich biete Kontakt an.
Mehr als ein
Erkennungszeichen: der Tagesgruß
Wer grüßt wen? In fest definierten Systemen machen
klare Regeln die Sache leicht; so gilt unter Soldaten eine generelle
Grußpflicht und in Unternehmen hoffentlich ebenfalls ( > ).
Genauso eindeutig gilt nach heutiger Etikette-Norm: Wer den anderen zuerst
sieht, grüßt zuerst.
Das bedeutet konkret: Unter Verwandten, Freunden,
Bekannten, Nachbarn, Kollegen grüßt jeder jeden, von verfeindeter
Verwandtschaft mal abgesehen. Bei anonymen Begegnungen wird selten gegrüßt.
Oder steigen Sie mit einem kräftigen »Morgen allerseits!« in die Berliner
S-Bahn ein? Sicher nicht, es sei denn, Sie wollen
schräg angeguckt werden. In überschaubaren anonymen Situationen ist der
Tagesgruß in den Raum hingegen angebracht, z. B. wenn Sie ein Geschäft, ein Restaurant, eine Arztpraxis, einen
Aufzug oder ein Zugabteil betreten. Mit direktem Blickkontakt grüßen Sie
Ihre – auch fremden – Dienstleister wie Taxifahrer, Briefträger und
Kassierer. Außerdem grüßen sich Sitznachbarn in Konzert oder Theater, am
Tisch, im Bus oder Zug.
Kurze Worte, kleine
Gesten: So grüßen die Knigge-Spieler
Soweit die generellen Empfehlungen à la Knigge. Und so
setzen Sie beim Grüßen und Begrüßen vom ersten Augenblick an Ihre
individuelle Duftmarke:
Geben Sie sich am liebsten locker und sind ohnehin stets auf Kontaktsuche? Dann haben Sie
die Knigge-Empfehlungen längst verinnerlicht. Sie zögern nicht einmal, dem
Oberbürgermeister auf der Straße ein flapsiges »Hallöchen« zuzurufen. Wobei
ein herzliches »Hallo« ausgereicht hätte. Da Sie generell auf Harmonie
bedacht sind, verzichten Sie besser darauf, einem Bekannten zuzuwinken, den
Sie in eindeutig zweideutiger Konstellation überraschen: angetrunken oder
mit einer fremden Frau im Arm … oder beides. Da zahlt sich eher Diskretion
aus.
Haben Sie sich Natürlichkeit
und Anstand auf Ihre Fahnen geschrieben? Auch dann ist Ihnen
jeglicher Dünkel fremd, und Sie grüßen jeden. Wie schön. Sagen Sie weiterhin
»Hallo« oder – z. B. zu Unbekannten – ein neutrales »Guten Tag« oder ein
regional markiertes »Grüß Gott« oder »Moin«. Unterstreichen Sie Ihre
zugewandte Art: Nennen Sie die Personen beim Namen.
Zu einer dynamischen, zielorientierten Person passt ein kerniges »Hi« oder »Tach«. Halten Sie aber
die Augen offen. Nicht dass Sie in der Eile Ihre Nachbarin übersehen. Gönnen
Sie ihr wenigstens ein kurzes Kopfnicken und heben Sie die Hand.
Als Herr von traditioneller
Eleganz grüßen Sie, ganz alte Schule, von sich aus Damen jeden
Alters und ältere Herren; Sie erwarten aber, dass jüngere Männer und Kinder
Ihnen gegenüber den ersten Schritt tun. Als traditionell orientierte Dame
grüßen Sie von sich aus nur ältere Damen. Sie erwarten den Gruß von Kindern,
Herren und jüngeren Damen. Da nicht jeder Ihr Weltbild teilt: Geben
Sie diesem Personenkreis mit einem aufmunternden Lächeln die Gelegenheit, zu
tun, was Sie als dessen Pflicht erachten.
Der nächste Schritt: der Handschlag
Wer reicht wem die Hand zuerst? Die Regel basiert auf
der Überlegung: Die »wichtigere« Person entschei det, ob eine Be rührung stattfindet.
Sie lautet daher: Stets bietet
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