Knigge fuer Individualisten
dem Ideal der honnêtes gens, dem unter dem
Sonnenkönig Ludwig XIV. entwickelten Leitbild der gesellschaftlichen Elite.
Deren Kennzeichen sind bis heute eine umfassende, nicht zu spezialisierte
Allgemeinbildung, Weltgewandtheit, Affinität zu den Künsten, die Fähigkeit,
sich geistreich zu unterhalten, eine geschliffene Sprache und, natürlich,
perfekte Manieren. Als Fassadenpflege betrachten Sie die tradierten
Umgangsformen nicht, Schaumschlägerei wäre mitnichten Ihr Ding. Für Sie ist
die Körperhaltung Zeichen einer inneren Haltung. Da tritt Ihr
Werteverständnis an die Oberfläche, und das ist comme il faut, wie es sich
gehört.
Das hohe Maß an Respekt, das Sie zeigen, werden
Geistesverwandte honorieren. Wundern Sie sich aber nicht, wenn die Distanz,
die Sie für respektvoll halten, bei anderen als Kühle ankommt. Sie wollen
doch nicht das Risiko eingehen, dass man Sie auf dem hohen Ross sieht oder
für altmodisch hält?
Das
Knigge-Spiel in der Praxis: Daran erkennen Sie die vier Stile
Sie haben jetzt einen Blick auf die Motive geworfen,
die Ihr eigenes Handeln und Ihre Fähigkeiten steuern. Woran erkennen andere,
welchen Knigge-Stil Sie bevorzugen? Und woran erkennen Sie, welche Karte Ihr
Gegenüber gerade ausspielt?
Am liebsten auf der
Zielgeraden: der Dynamische
Wer ein Ziel vor Augen hat, hat sich und sein
Erscheinungsbild im Griff. Er steuert geradewegs und zügig auf Menschen zu,
die er kennt oder auch nicht, auf eigenem wie fremdem Terrain, in
überschaubaren oder großen Gruppierungen.
Ein kurzer, kräftiger Handschlag, fester Blickkontakt,
zielgerichtete Gesten und schnelle Schritte zeichnen den Zielstrebigen aus:
»Mein Name ist Beck. Und wer sind Sie?« Die Distanz zu seinen
Gesprächspartnern bestimmt er selbst, er weist die Plätze zu: »Sie bitte
dort.« Was er sagt, hat Hand und Fuß. Darum kann er sich über eine mangelnde
Zuhörerschaft nie beklagen. Er spricht deutlich, präzise und pointiert und
erwartet dasselbe vom Gegenüber: »Was wollen Sie genau?« Prägnante Formulierungen sowie Zuspitzungen
bis hin zu kalkulierten Provokationen sind sein Markenzeichen: Mal
sehen, wie der andere reagiert. »Wer, wie, was?« Wer weiß, was
er wissen will, stellt präzise Informationsfragen und scheut sich nicht, das
Handeln anderer zu hinterfragen: »Warum empfehlen Sie zum Seeteufel den
Chardonnay und nicht den Sauvignon Blanc?«
Tanz ja, Distanz nein
danke: der liebenswerte Lockere
Stets entspannt und dabei ständig in Bewegung, geht
der Lockere ohne Scheu auch auf unbekannte Gruppen zu, stellt sich vor,
klinkt sich in Gespräche ein und ist schnell
beim Du. Frisch, frank, fröhlich und frei reicht er ohne Rücksicht auf
Ansehen oder Rang die Hand: »Wir kennen uns noch gar nicht, dagegen sollten
wir was tun.« Bussibussi bei der Begrüßung gehört einfach dazu. Er umarmt am
liebsten jeden, der ihm über den Weg läuft: »Mensch, klasse, dass wir uns
hier sehen! Ist die Elke auch da?« Er erzählt mit Herzblut Anekdoten von
sich und seinen vielen Bekannten (Mimi, Strizzi und wie sie alle heißen). Da
er Menschen für sich einnehmen möchte, macht er häufig Komplimente: »Genial,
die Brille, die Sie da tragen. Bestimmt italienisch, oder?« Und er freut
sich, welche zu hören: »Todschick, dein Tuch.« Da strahlt er übers ganze
Gesicht; er kleidet sich schließlich gezielt individuell. Coole Sprüche, knackige Sätze, witzige
Wortspiele kommen ihm leicht über die Lippen. Die Gefahr, dabei
jemandem auf den Schlips zu treten, federt er durch Charme ab. Wo Sie herzhaftes Gelächter hören, ist ein lockerer Typ meist nicht
weit.
Nicht hart, sondern herzlich:
der Natürliche
Kann er eine Situation nicht einschätzen, hält sich
der Natürliche lieber zurück: naturgemäß. Er
spricht und bewegt sich wenig. Bei genauerem Hinsehen erkennt man aber
seine zugewandte Haltung: Er schüttelt die Hand kräftig und
drückt einen guten Freund fest an sich. Bussibussi, weil »man« sich von
einer Party kennt, das kommt nicht in Frage. Er schätzt ein Zwiegespräch
eher als die große Tischrunde und hört gut zu. Dabei nickt er aufmunternd
und verständnisvoll; seine offene Mimik spiegelt sein Interesse am
Gegenüber: »Wie geht es denn den Kindern? Alle gesund? Auch der Hund?« Seine
Stimme klingt weich, seine Wortwahl ist konstruktiv, selbst bei Kritik im
Lokal: »Die Vorspeise war
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