Knigge fuer Individualisten
jeder von Ihrer Herzlichkeit profitieren.
Gehen Sie am liebsten auf natürliche Weise auf Ihre Mitmenschen zu? Dann halten Sie
intensiv Blickkontakt und gehen, um Augenhöhe herzustellen, vor einem Kind
auf die Knie. Sie handeln psychologisch: Wer Ihre Hand zuerst möchte, der
bekommt sie zuerst. Und wer das ist, sehen Sie genau: wer zuerst einen
Schritt auf Sie zu macht, wessen Hände sich öffnen, wer Sie erwartungsvoll
anlächelt. Ihr Handschlag ist fest und dabei weich; zwei Sekunden dauert er
mindestens. Sie schauen dem, dessen Hand Sie halten, konsequent ins Gesicht:
»Schön, dich zu sehen.« Ihr wertschätzendes Vorgehen dauert manchen zu
lange. Sie verlieren Ihre natürliche Ausstrahlung nicht, wenn Sie die Sache
ein bisschen zügiger angehen.
Ist der Traditions-Stil Ihr Favorit? Dann fehlt bei Ihnen als Herr
eine Verbeugung bei keiner Begegnung. Sie begrüßen – Etikette hin oder her –
alle Damen zuerst und zwar in der Reihenfolge des Alters. Sie lassen es sich
nicht nehmen, den Damen einen Handkuss zu verabreichen – eine geküsst, alle
geküsst –, selbstredend nur angedeutet und nicht unter freiem Himmel.
Favorisieren Sie als Dame die alte Schule, geben Sie durch Ihre würdevolle
Distanz einem Mann die Gelegenheit, sich wie ein Herr zu verhalten. Achtung:
Nicht alle Frauen wollen sich wie Damen, nicht alle Männer wie Herren
benehmen: Dosieren Sie Ihre klassische Spielart der Höflichkeit. Auch Old
School ist nur ein Spiel.
Setzen Sie diese Nuancen der Begrüßung konsequent ein;
nur so kommen sie als Ihre besondere Note an. Es kann für Sie selbst aber spannend sein, Elemente anderer
Spielarten auszuprobieren.
OHNE
HANDSCHLAG GEHT’S AUCH
Im Umgang mit Menschen aus anderen Kulturkreisen sind
dem individuellen Vorgehen Grenzen gesetzt. Drängen Sie z. B. als Mann
einer Muslimin nicht die Hand auf, weder im Ausland noch in Ihrer
Nachbarschaft. Warten Sie ab, beobachten Sie, fragen Sie bei
Gelegenheit nach. Erst wenn Sie die Rituale und Signale im Detail
kennen, können Sie damit spielen. Bis dahin ist der Weg eventuell lang
und steinig. Gehen Sie vorerst auf Nummer sicher.
»Sie« oder »du«? Eine schwere Frage
Während der Fußball-WM 2006 in Deutschland war »die
Welt zu Gast bei Freunden«. Dennoch scheiterte der Versuch eines
Boulevard-Blatts, das Siezen abzuschaffen und uns alle zu Duzbrüdern zu
machen. Im Deutschen wird das Sie genutzt, um Beziehungen nach Nähe und
Distanz, Wärme und Respekt zu differenzieren. Langfristig steht immer das Du
als Option offen. Doch ein Zurück vom Du zum Sie gibt es im Normalfall
nicht. Oder haben Sie schon einmal jemanden sagen gehört: »Hiermit biete ich
dir das Sie an?«
Vom Sie zum Du: den Schritt gut
überlegen
Der Übergang vom Sie zum Du kommt einer verbalen
Annäherung gleich; daher entspricht die Regel im Großen und Ganzen der zum
Begrüßen: Die »wichtigere« Person entscheidet, ob sie geduzt werden will,
und bietet das Du an – oder nicht.
Der Ranghöhere kann dem Rangniedrigeren das Du anbieten: Das
ist im Unternehmen der Vorgesetzte und z. B. im Kirchenchor der
Chorleiter.
Trifft das Kriterium Rang nicht zu,
entscheiden Zugehörigkeitsdauer oder Gewohnheitsrecht. So teilt die Clique der neuen Freundin
eines Kumpels mit: »Wir sind hier per Du.«
Passt weder Bedingung 1 noch 2 in den
Kontext, entscheidet bei einem erheblichen Altersunterschied – eine
Generation darf es schon sein – die
ältere Person.
In allen anderen Fällen wird das Du verhandelt.
Zwischen Frau und Mann herrscht auch in Duzfragen
Gleichberechtigung.
Siezen und Duzen nach Stil und Typ
Als Traditioneller respektieren Sie diese Empfehlungen, bleiben
aber eher beim Sie. Viele Herren denken, sie dürften einer Dame das Du nicht
anbieten. Einen Geschlechts-Vor- oder Nachteil – wie man es nimmt – gibt es
aber nicht. Vielleicht springen Sie über Ihren Schatten, Madame bzw. über
seinen. Und gehen vor wie der Natürliche, der so nebenbei fragt: »Was halten Sie davon, wenn
wir uns duzen?« Dynamische und Lockere fackeln nicht lange und
stellen fix und fröhlich fest: »Ich heiße Lilo und bin duzbar.« Oder:
»Wollen wir bis zum Duzen drei Jahre warten, oder regeln wir das sofort?«
Das Überraschende dabei: Selbst wenn diese Menschen »von Rechts wegen« gar
nicht autorisiert sind, das Duz-Programm anzustoßen, nimmt ihnen das
Vorpreschen
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