Knigge fuer Individualisten
keiner übel. Man hätte sich ja wehren können.
Das Du ablehnen – darf man das?
Ja, man darf. Wenn Sie ein Duz-Angebot nicht annehmen
möchten, überlegen Sie kurz: Was ist unangenehmer, spontan eine Grenze zu
ziehen oder sich langfristig über das Du zu ärgern? Schlägt das Pendel gegen
das Du aus? Beziehen Sie Stellung! Ersparen Sie dem Gegenüber aber –
kniggegerecht – eine Blamage.
Der lockerlässige Typ hat in
mit einem Duz-Angebot kein Problem, er duzt ohnehin gern. Auch die Natürlichen sagen gern ja. Dynamische setzen Grenzen; sie wischen
die Sache vom Tisch: »Das lassen wir lieber.« Und gehen zur Tagesordnung
über – bitte wertschätzend, um keine Wunden zu schlagen. Traditionelle sind durch die verbale
Annäherung am meisten irritiert. Bleiben Sie dennoch charmant: »Ihr
freundliches Angebot, Herr Schmidt, ehrt mich. Haben Sie jedoch bitte
Verständnis dafür, dass ich es im Moment nicht annehme.« Achten Sie darauf,
dass Ihr Tonfall nicht überkandidelt oder gar arrogant klingt.
RAUM UND ZEIT: KNAPPE GÜTER MIT ANDEREN
TEILEN
Das Wort »Takt« steht vor allem für die zeitliche
Struktur von Musik. Ein Gefühl für Takt, die harmonische Bewegung innerhalb
eines Rahmens, ist aber nicht nur gefragt, wenn Menschen und Töne – wie beim
Tanzen – harmonieren sollen. Bei jeder Begegnung bewahrt Taktgefühl Sie
davor, Misstöne zu erzeugen, anderen auf die Füße zu treten – und sich auf
die Füße treten zu lassen.
Alle der Reihe nach und jedem
seinen Platz
Wie im Straßenverkehr schützen Umsicht, Rücksicht und
Voraussicht vor Zusammenstößen und fördern einen glatten Ablauf.
Bitte nach Ihnen: der Vortritt
»Erster!« – Nicht nur ein Kind freut sich darüber,
vorne dran zu sein. Wer niemandem folgen muss und ungehinderten Blick auf
das Umfeld hat, fühlt sich frei und genießt diesen Vorteil gegenüber
anderen. Deshalb lautet die Knigge-Grundregel: Die »wichtigste« Person hat
Vortritt. Konkret lassen Sie jede Person, der Sie diese Bedeutung einräumen,
als erste durch Türen gehen, Zimmer betreten, in einen Aufzug steigen, enge
Stellen passieren, Treppen hinaufgehen, in Busse und Bahnen einsteigen.
Wenn jedoch nicht klar ist, wo es langgeht, ist der
Vortritt kein Vorteil. Daher gilt die Zusatzregel: Sichern Sie ein
unübersichtliches Terrain, bevor die Person, die Sie würdigen wollen, ihren
Fuß hineinsetzt. Gefahren lauern an diesen Stellen:
Schmale Gänge ohne sichtbaren Zielpunkt: Wer
sich auskennt, geht vor, z. B. der Gastgeber vor dem Gast durch den
Flur auf dem Weg zum Esszimmer.
Nach unten führende Treppen: Wer stürzt,
soll nicht ins Leere fallen, sondern vom Begleiter aufgefangen
werden.
Restaurants: Wer einlädt, geht voraus, prüft
den Raum, organisiert den Tisch – in Deutschland. In den meisten
anderen Ländern gilt ein Lokal hingegen als sicheres Terrain, und dem
Gast wird beim Eintreten der Vortritt gewährt.
Links schützt Rechts: Prinzip
mit Ausnahmen
»Die Dame gehe rechts vom Herrn, weil dieser links
sein Schwert trägt.« Das hört man oft. Gute Nachricht für Verächter
traditioneller Regeln: Es ist falsch. Kein Ritter hatte Schwert und Dame
gleichzeitig in bzw. an die Hand zu nehmen. Richtig ist: Die meisten
Menschen sind Rechtshänder und können mit Rechts leichter einen Arm
ergreifen, einen Schirm halten, eine Tür öffnen. Darauf basiert die
Grundregel: Gehen zwei Personen nebeneinander, ist der rechte Platz der
bessere, Links schützt und ehrt Rechts. Begleiten Sie zwei Personen, nehmen
Sie die »wichtigere« an Ihre rechte Seite, die andere links. Sogar diese
praktische Regel kennt Ausnahmen, 1. wenn von rechts Unannehmlichkeiten
auftauchen könnten, z. B. auf dem Bürgersteig von der Fahrbahn her, und 2.
wenn es links etwas Interessantes zu sehen gibt – nicht nur
Schuhschaufenster. Und quetschen Sie sich nicht zwischen Verheiratete oder
Verliebte. Docken Sie an Paare links an.
Ärmel,
Schultern, Kleiderbügel: routiniert an der Garderobe
Helfen Sie anderen aus dem Mantel oder nicht? Ob Sie
mit Bekannten ins Kino gehen oder zu Hause Gäste empfangen: Laut Grundregel
nehmen Gastgeber ihren Besuchern die Mäntel ab. Doch Vorsicht: Nicht jeder
Herr möchte von einer Dame Hilfe annehmen, und frau muss keine Anhängerin
von Alice Schwarzer sein, um sich lieber selbst zu helfen. Bieten Sie besser
an: »Darf ich Ihnen die Garderobe abnehmen?«
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