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Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Titel: Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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ebenfalls starb. »Vor Erschöpfung. Sie hat den Hof beinahe im Alleingang geschmissen. Mit der Hand gemolken, gesät, gepflügt, geerntet, bis in die späte Nacht über Abrechnungen gesessen; ich konnte ihr nichts gut genug machen, sie musste alles selber tun.«
    »Und dann noch der Haushalt«, setze ich hinzu.
    »Dafür gab es Mädchen. Genug Waisen nach dem Krieg, halbe Kinder, dankbar für ein Dach über dem Kopf und einen Teller Mehlsuppe. Und Töchter aus armen Familien, die ihre eigenen Kinder nicht ernähren konnten.« Er schüttelt den Kopf. »Die meisten blieben nur kurz. Meine Mutter hat sie alle schlecht behandelt, aber darüber habe ich mir damals keine Gedanken gemacht. Frauen und Mädchen hatten es zu der Zeit sehr schwer in der Eifel. Aber das habe ich erst viel später begriffen. Vielleicht habe ich deshalb nie geheiratet. Aus Angst, einer Frau nicht gerecht werden zu können.«
    Er lächelt mich traurig an.
    »Ihre Mutter, Frau Klein, die Anna, die hatte auch kein leichtes Schicksal.«
    »Sie kannten meine Mutter?«, frage ich betroffen.
    Er nickt.
    »Sie hätte Ihren Vater niemals heiraten können. Die Eltern von Anna besaßen zwar ein Geschäft in Hallschlag, aber kein eigenes Land. Damals heiratete man Land. Das, was Sie jetzt besitzen, gehörte einst der Maria. Deswegen hat Ihr Vater die geheiratet.« Wieder seufzt er. »Vielleicht gibt es doch so etwas wie eine Gerechtigkeit, auch wenn sie seltsame Wege geht.«
    Zwei Jahre nach dem Verschwinden seines Bruders verkaufte Jakob Perings den verschuldeten Hof in Berterath, zog nach Brüssel, wo er sich zum Buchhalter ausbilden ließ und später diesen Beruf bis zu seiner Pensionierung vor acht Jahren ausübte
    »Sind Sie denn nie wieder zurückgekommen?«, frage ich.
    Er schüttelt den Kopf.
    »Ich hatte Angst, dass es zu sehr schmerzt. Aber ich hatte immer Heimweh. Nach dem Land mit den Hügeln. Nach den Leuten. Nach dem weiten Himmel. Sogar nach der Landwirtschaft … Und jetzt bin ich wieder hier.«
    Es klingt, als sei er heimgekommen.
    Er beantwortet uns die Frage, die wir nicht zu stellen wagen: »Niemand wartet in Brüssel auf mich. Wenn sie mich in ein paar Tagen hier rauslassen, werde ich also noch ein Weilchen in der Gegend bleiben; vielleicht nehme ich mir bei Balter in Losheim ein Zimmer. Essen werde ich natürlich in Ihrem Restaurant, Frau Klein, die Hühnersuppe war ein Gedicht.« Er lächelt mich an. »Wenn Sie Fräulein Henkes, ich meine Frau Schröder, wiedersehen sollten, grüßen Sie sie bitte herzlich von mir.«
    Es wird Zeit, dem alten Herrn seine Ruhe zu gönnen. Wir haben seine Kraft schon viel zu sehr in Anspruch genommen.
    »Eine Frage noch«, sagt Marcel, als wir uns verabschieden. »Weshalb Herr Kerschenbach? Ich meine, woher kennen Sie ihn?«
    Jakob Perings hebt die Arme.
    »Ich kenne ihn nicht«, sagt er. »Das war ein Irrtum. Im Alter sieht man manchmal Gespenster. Das werden Sie auch noch erleben, junger Mann.«
    Drei Wochen später
    Jakob Perings wohnt nicht im Hotel. Nach kurzer Beratung haben wir einstimmig beschlossen, ihm die Hinterkammer in der Einkehr zur Verfügung zu stellen, das ehemalige Kinderzimmer von Hein, in dem später Gudrun erst allein und dann mit David gewohnt hatte. Der alte Herr wollte darauf bestehen, uns den gleichen Preis wie bei Balter zu zahlen, aber das habe ich abgelehnt.
    »Wir können Ihnen nicht den Service eines Hotels bieten. Da hätte ich ein schlechtes Gewissen, so viel Geld von Ihnen zu nehmen.«
    Letztlich ließ er sich darauf ein, nur für seine Mahlzeiten zu bezahlen; allerdings sind seine Trinkgelder so exorbitant, dass meine Mitarbeiter jubeln sollten.
    Was sie nicht tun.
    Sie tun überhaupt nichts mehr außer ihrer Arbeit. Wir sitzen nicht wie früher morgens oder nachts fröhlich beieinander, sondern jeder erscheint, wenn seine Dienstzeit beginnt, und verschwindet danach sofort wieder. Die Kommunikation untereinander beschränkt sich auf das notwendige Minimum. In Küche und Gastraum wird so flink, effizient und ungewöhnlich widerspruchslos meinen Anordnungen gefolgt, dass ich mir wie eine Sklaventreiberin vorkomme. Dabei habe ich mich bislang als Hobbygastronomin betrachtet, die jeden Abend mit ihren Freunden eine kleine Party feiert. Jetzt bin ich plötzlich von Fremden umgeben.
    »Was ist los?«, frage ich Gudrun.
    »Alles okay«, antwortet sie und schweigt.
    »Habt ihr Stress?«, will ich von Regine wissen.
    »Nicht, dass ich wüsste«, erwidert sie und schweigt

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