Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
auch.
Ich nehme David zur Seite, doch er mauert ebenfalls.
»Wo ist das Problem?«, fragt er zurück. »Jeder hat doch, was er braucht.«
Erst dachte ich, unser neuer Hausgast bereite allen Unbehagen. Ich bot an, Jakob Perings im Burghaus Kronenburg unterzubringen, einem Etablissement, zu dem wir guten Kontakt pflegen und in dem er sich bei den belgischen Eigentümern Peters bestimmt wohlfühlen würde. Höfliche Empörung schlug mir entgegen. Jakob Perings sei doch inzwischen so etwas wie die Seele der Einkehr geworden, wie könne ich auch nur daran denken, diese auszuquartieren? Zumal wir alle, sogar Hermann und Frieda Kerschenbach, den Knochen seines armen ermordeten Bruders, dem Letzten seiner Verwandten, auf dem Friedhof in Manderfeld das letzte Geleit gegeben hätten.
Tatsächlich zählen die wenigen Stunden, die wir mit dem alten Herrn verbringen, derzeit noch zu den entspanntesten. Er hat uns das Du angeboten und scheint inzwischen der Kitt zu sein, der unsere Wahlfamilie noch zusammenhält. Und er ist ein sehr angenehmer Gast, der nie störend in der Küche auftaucht, sein Zimmer selbst penibel in Ordnung hält und das Bad besser putzt als Gudrun. Seine Tage verbringt er mit langen Spaziergängen und wird dabei gelegentlich von Petronella Schröder begleitet. Die meine Mitteilung, ihr Medaillon sei nicht unter den von mir ererbten Gegenständen aufgetaucht, erstaunlich gelassen aufgenommen hat.
»Ich habe viel zu lange zurückgeschaut«, sagte sie mir. »Wir sind noch nicht tot. Da soll man nach vorn blicken.«
Würde ich in meiner Einkehr ja auch gern. Aber hier ist die Stimmung im Keller. Und ich habe keine Ahnung, weshalb.
Regines Augen leuchten, wenn ihr Hermännche auftaucht, aber mir gegenüber verliert sie über ihre neue Liebe kein unnötiges Wort. Mich würde schon interessieren, wie sie sich mit der dominanten Schwester ihres Auserwählten versteht. Immerhin hat Frieda Kerschenbach die letzten beiden Kaffeefahrt-Besuche in meinem Haus nicht mitgemacht. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass diese formidable Dame der Konkurrentin um die Zuwendung des Bruders so einfach das Feld überlässt. Auf eine diskret geäußerte Frage meinerseits antwortete Regine nur, dass sie Frieda jeden Sonntag nach dem Gottesdienst in Buchet sähe.
»Du fährst nach Buchet in die Kirche?«, frage ich ungläubig.
»In die Sankt-Barbara-Kapelle. Eine ganz moderne Kirche, wunderschön, von den Einwohnern selbst gebaut. Mit einem Dach in Form eines Buchenblatts«, erwiderte sie. »Das solltest du unbedingt auch mal tun, Katja. Wenn du in dieser Kirche sitzt und durch die großen Fenster über die Schneifel blickst, verstehst du Gott.«
Das ist mir viel zu hoch; ich möchte meine Mitarbeiter verstehen, herausfinden, was die so nah beieinander lebenden Menschen auseinandergetrieben hat. Aber von Regine erfahre ich dazu nichts. Sie spricht von Nicolina, die längst wieder genesen ist und Linus zu ihrem Kumpel erkoren hat. Die Tiere hinter meinem Haus gehen derzeit erheblich liebevoller miteinander um als die Menschen auf der Kehr.
Regine ist höflich zu Gudrun und David. Die beiden wiederum verhalten sich wie ein altes Ehepaar, will heißen, weder necken noch streiten sie sich, noch tauschen sie jene Zärtlichkeiten aus, die mich früher immer so genervt haben und die ich jetzt viel lieber sähe als dieses mürrische Nebeneinanderher. Beide behandeln Regine wie Luft – soweit dies bei der Zusammenarbeit eben möglich ist.
Alle meine Versuche, den Zauber unserer alten Gemeinschaft wiederzubeleben, scheitern an dieser seltsam unerklärlichen Atmosphäre zwischen den Dreien und mir gegenüber. Wird Zeit, dass Jupp und Hein zurückkehren, um dieser plötzlich eingebrochenen Eiszeit den Garaus zu machen. Heins letzte Postkarte mit einer Windmühle im Sonnenuntergang informiert uns, dass die beiden morgen zurückreisen werden. Und zwar bester Dinge. Weil sie in einem finanzkrisengeschüttelten Land selbst gutes Geld verdient haben. Jupp hat Hausmeisterdienste in den Hotels verrichtet, für die Hein Websites aktualisiert hat. Nur grässlich kalt sei es gewesen, schreibt er, so warme Pullover wie im griechischen Frühwinter habe er in der Schnee-Eifel nie tragen müssen. Er freue sich auf gut geheizte, isolierte Häuser. Isolation, damit kann ich hier wahrlich dienen.
Marcel ist frustriert, weil die Ermittlungen im Fall Siegfried Perings’ genau wie schon vor mehr als einem halben Jahrhundert abermals in einer
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