Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
Waffelzubereitungsgerät. Und überhaupt ein wenig shoppen gehen. Schließlich kann ich in dem Monsterauto, das mir Karl-Heinz zum Probefahren vor die Tür gestellt hat, eine Menge unterbringen. Auch einen belgischen Polizeiinspektor. Der überhaupt nicht mehr darauf zurückgekommen ist, dass wir diese Fahrt mit gemeinsamer Übernachtung schon vor Wochen geplant haben.
»Es bleibt doch dabei, dass du morgen mit nach Cochem kommst?«, frage ich Marcel und setze lockend hinzu: »Du fährst.«
Die begehrlichen Blicke, mit denen er das Allradungetüm gemustert hat, sind mir nicht entgangen.
Marcel schüttelt den Kopf.
»Eine einmalige Gelegenheit«, fahre ich fort. »Denn Karl-Heinz kriegt das Monster in den nächsten Tagen wieder zurück.«
»Du solltest es unbedingt kaufen«, rät Marcel.
»Niemals!«
»Es ist gut, wenn du dich schon mal auf einer längeren Strecke dran gewöhnst, wie es fährt.«
»Das kannst du mir unterwegs bestimmt wunderbar erklären.«
»Nee«, sagt er und sieht mich bedauernd an. »Kann ich leider nicht. Salduz, hast du das denn vergessen?«
Ja, ist mir gänzlich entfallen: sein frisch angesetzter Kursus an der Polizeiakademie in Lüttich. Wo er gerade deutschsprachige Polizeianwärter auf das ungeliebte neue Salduz-Gesetz einstimmen muss, benannt nach einem siebzehnjährigen türkischen PKK-Sympathisanten. Theoretisch soll dieses Gesetz die Rechte der Verdächtigen gegen potenzielle polizeiliche Willkür stärken. Durchaus begrüßenswert, angesichts der eher unkonventionellen Vernehmungsmethoden, die ich durch Marcel kennengelernt habe, finde ich. Der belgische Polizeiinspektor ist da ganz anderer Ansicht. In der Praxis sei dieses Gesetz eine gute Nachricht für Kleinkriminelle. Denn jetzt müsse einem Verdächtigen schon bei der ersten Vernehmung innerhalb von zwei Stunden ein Rechtsbeistand zur Verfügung gestellt werden. Was viel zu zeitaufwendig bei mutmaßlichen Auto-, Handtaschen- oder Ladendieben sei, die deswegen nun schneller auf freien Fuß gesetzt würden. »Früher«, so hatte er mir erläutert, »da konnte ich bei kurzen Vernehmungen schon mal Druck machen. Das geht ja heute nicht mehr!«
Aber wie ich die Belgier kenne, wird sich – Salduz hin oder her – langfristig wohl kaum was ändern. Die belgische Polizei betrachtet ihr Land als das der unbegrenzten Möglichkeiten, in dem sich Gesetze undMöglichkeiten prächtig ergänzen.
»Tut mir leid«, sagt Marcel, »dass du morgen allein nach Cochem fahren musst. Kannst da beruhigt schlafen. Hochwasser gibt es dort grad nicht.«
Bei unserem letzten gemeinsamen Ausflug nach Cochem hatten wir mitgeholfen, die Mosel aus dem Germania zu vertreiben. Ach, könnte ich die bösen unbekannten Geister in meinem Restaurant doch auch mit ein paar Eimern vertreiben! Ich lächele wehmütig.
»Siehst du, Cochem tut dir gut«, sagt Marcel. »Ein bisschen Abstand zur Kehr auch. Und Herberts Kuchen.«
»Herbert tut gut.« Der Mann vom Germania bringt mich tatsächlich immer zum Lachen. »Vielleicht sollte ich ihm Nicolina andienen. Er sammelt doch lebendiges Federvieh zum Streicheln.«
»Da würdest du Linus enttäuschen. Und Regine gegen dich aufbringen. Genau das willst du gerade jetzt ganz bestimmt nicht.«
Da hat er recht. Ich will keinen meiner Mitarbeiter gegen mich aufbringen, sondern möchte sie wieder als Freunde gewinnen. Was nur hat sie alle so unzugänglich gemacht, so miesepetrig und indifferent wie die derzeitige Wetterlage, deren nieselnebliges Grau-in-Grau mir ebenfalls in die Knochen fährt und auf den Geist geht? Wenn schon Winter, dann doch bitte richtig. Mit knuspriger Kälte, klarem Himmel, glitzerndem Schnee und schlecht geräumten Straßen. Wenn schon Streit, dann doch bitte richtig. Mit einem ordentlichen Donnerwetter, das die Luft von allen Nebelpartikelchen reinigt.
Wie gern hätte ich darüber ausführlicher mit Marcel geredet. Fern der Kehr an meinem freien Abend. Bei der Buchung des Doppelzimmers hatte ich Marcels berufliche Agenda gänzlich ausgeblendet. Das völlig überflüssige, lästige Salduz-Gesetz. Ich glaube nicht, dass ich die Lust aufbringen werde, mit meinem Hund die Nacht allein im Hotel zu verbringen.
Der nächste Abend
Ich will schreien, bringe jedoch keinen Ton hervor. Starre auf die Schuhe. Die unter meiner mit Paketband verklebten weißen Mohairdecke hervorlugen. In die ein menschlicher Körper abtransportbereit eingewickelt liegt. Vor dem Loch in meiner Wand, in dem die Überreste von
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