Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
Aber vielleicht ist ihnen irgendetwas aufgefallen, als sie am Restaurant das Auto von Hein abgeholt haben.«
»Wo war Regine?«
»Sie hat sich den Tag freigeholt. Wollte erst abends zum Servieren zurück sein.«
Tief in mir meldet sich leise Empörung, die ich sofort wieder zurückdränge. Ich kann mich doch nicht darüber aufregen, dass sich eine meiner Mitarbeiterinnen an meinem freien Tag ohne Rücksprache mit mir selbst freinimmt, wenn ihr diese Freiheit zum Verhängnis wird!
Regine ist tot.
Würde sie noch leben, wenn sie ihre Arbeit gemacht hätte?
Marcel sieht mich an, als versuche er, meine Gedanken zu lesen. Was manchmal klappt. Diesmal zum Glück nicht.
»Sie hat keinem gesagt, wo sie hinwollte oder was sie vorhatte«, erklärt er.
»Was wohl! Hermännche …«
Marcel hebt einen Arm.
»Nein. Der Kerschenbach hat als Einziger ein wasserdichtes Alibi. Er war heute mit seinen Kaffeefahrern am Meerfelder Maar. Das hat die Chefin des Hotels Maarblick bestätigt. Aber eins ist schon komisch …«
Ja, denke ich, es ist höchst komisch, dass ich von diesem Ausflug der Kaffeefahrer nichts weiß. Hat Hermann ihn uns verheimlicht, weil er mit seinen Leuten fremdessen gegangen ist? In Meerfeld? So weit von Buchet und der Kehr weg? Er wird bei diesem Wetter wohl kaum mit den alten Herrschaften um den Krater herumgewandert sein. Und warum nimmt sich Regine frei, wenn sie dann doch nicht mit ihrem Schatz zusammen sein kann?
»… Regine hatte sich gegen elf Uhr das Auto von Hein ausgeliehen«, fährt Marcel fort. »Und hat zu Gudrun gesagt, dass sie erst gegen Abend zum Bedienen wiederkommen wird.«
»Weil sie zu ihrem Hermann nach Meerfeld gefahren ist.«
»Glaube ich nicht. Da wäre sie länger weggeblieben. Sie hat den Pkw aber schon viel früher zurückgebracht, auf jeden Fall vor fünfzehn Uhr …«
»Aber dann müssen David und Gudrun sie doch noch gesehen haben! Als sie den Schlüssel …«
»Haben sie nicht«, entgegnet Marcel heftig. »Der Schlüssel steckte noch im Zündschloss. Worüber Hein sehr sauer war, als er mit Jupp um drei seine Rote Zora abgeholt hat. Wir haben keine Ahnung, wo Regine zwischen elf und fünfzehn Uhr war. Es ist nur klar, dass der Wagen um drei Uhr wieder vor der Einkehr stand.«
Er räuspert sich und fährt leiser fort: »Nach allem, was wir bisher wissen, muss sie in diesem Zeitraum in deinem Wohnzimmer ermordet worden sein. Der Fundort ist zweifelsfrei der Tatort.«
»Aber auf dem Boden war nirgendwo Blut. Nur auf der Decke. Und auf dem Waffeleisen.«
»Alles ist sehr gründlich sauber gemacht worden. Der Täter wollte keine Spuren hinterlassen.«
Aber warum hinterlässt er dann die Leiche?
Mir laufen jetzt mehrere Schauer über den Rücken. Ein Unmensch hat Regine mit dem Waffeleisen den Kopf eingeschlagen. Ich brauche und möchte meine Phantasie nicht bemühen. Aber mit dem Feudel einmal kurz über die Dielen wischen genügt bestimmt nicht, um in meinem Wohnzimmer die Spuren einer solchen Tat auszulöschen. So etwas kostet richtig viel Zeit. Und dann dauert es auch noch ziemlich lange, einen toten Menschen derart fest in eine Mohairdecke einzuwickeln und alles sorgsam mit Paketband zu verkleben. Der Mörder muss damit Stunden beschäftigt gewesen sein. War er gar noch im Haus, als ich vorgefahren bin? Ist Linus deshalb wie vom Teufel gejagt aus der Tür gehetzt? Weil ihn ein Fremder im Haus bedroht hatte? Mit dem mörderischen Waffeleisen?
Ich zermartere mir das Hirn. Habe ichvielleicht doch irgendetwas unbewusst wahrgenommen? Das leise Klicken eines Schlosses zum Beispiel, als sich der Täter durch die Hintertür vom Acker gemacht hat? Nein, da hätte Nicolina geschnattert, und das hätte ich bestimmt gehört. Durchaus möglich, dass sich der Täter erst aus dem Haus geschlichen hat, als es zu meiner Konfrontation mit David kam. Eine furchtbare Vorstellung.
»Es sieht alles nach Totschlag im Affekt aus. Jemand hat aus lauter Wut zum Waffeleisen gegriffen.« Marcel zieht die Stirn in Falten. »Aber warum macht der sich dann die Mühe, alle Spuren zu beseitigen, die Leiche einzupacken und zu verschnüren? Warum lässt er sie dann einfach liegen?«
Weil ich ihn gestört habe , denke ich.
»Warum hier? Warum ist Regine ausgerechnet in meinem Haus ermordet worden?«, schreie ich und schlage mir gleich darauf entsetzt auf den Mund.
Die herzlose Frage aber bleibt im Raum hängen und hallt mir in den Ohren. Warum ausgerechnet in meinem Haus. Ich hatte mir das
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