Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Titel: Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
Vom Netzwerk:
Grauen aus der Seele brüllen wollen, es mit diesem Aufschrei aber nur noch tiefer in ihr verankert. Wie gefühlsroh bin ich denn? Klar, ich befinde mich in einer Ausnahmesituation, aber meine Reaktion erschreckt mich zutiefst. In meinem Haus wird eine Freundin ermordet, und ich denke nur daran, dass es besser wäre, der Täter hätte sie woanders entsorgt. In extremen Lagen scheint sich offenbar alles nur um einen selbst zu drehen. Man lernt sich kennen, wenn es wirklich ans Eingemachte geht. Und wird sich selbst fremd. Sagt schreckliche Dinge, von denen man zuvor gar nicht wusste, dass man sie wirklich meint. Und ist vielleicht auch fähig, schreckliche Dinge zu tun, die man nicht geplant und sich nie zugetraut hätte. Einen Mord zum Beispiel.
    Marcel tut, als merke er nicht, wie sehr ich vor mir selbst erschrocken bin. Er hebt die Schultern und sagt gelassen: »Vielleicht hat ihr der Täter draußen aufgelauert, als sie die Gans füttern wollte?«
    »Warum hat er sie dann nicht gleich draußen umgebracht?«
    Alle Reflexionen sind zum Teufel. Auch dieser ungeheuerliche Satz fällt mir einfach aus dem Mund.
    Marcel steht auf.
    »Jetzt reicht es«, sagt er kalt. »Wir sprechen später weiter. Du stehst noch unter Schock. Ruh dich erst einmal aus.«
    Wie ruht man sich von einem Mord aus?
    Ich lasse mich wieder nach hinten fallen und ziehe mir die Decke über den Kopf.
    Wegen Trauerfalls geschlossen
    Kraklige Schrift, offenbar mit zittriger Hand auf braune Pappe geschrieben und einfach mit Tesafilm an der Tür meines Restaurants befestigt. Es ist erst knapp drei Stunden her, dass ich nach meiner Rückkehr aus Cochem drei fremde Fahrzeuge vor der Einkehr habe stehen sehen, doch für mich sind seitdem Äonen vergangen. Ich lebe in einer neuen Welt mit gruseliger Vergangenheit, schauerlicher Gegenwart, ungewisser Zukunft und meinem soeben entdeckten unbarmherzigen Charakter.
    »Wir haben hier noch für lange Zeit zu tun«, hatte mir Marcel beschieden, als ich nur wenige Minuten nach unserem Gespräch aus dem Schlafzimmer gekommen war. »Geh du ruhig ins Restaurant; ich schaue später mal vorbei.«
    »Wann?«, fragte ich, fest entschlossen, es vorerst bei Einsilbigkeit zu belassen.
    »Weiß nicht. Später. Wir müssen den Tatort sichern. Das wird dauern. Erwin Hannen und ich bleiben über Nacht hier.«
    Ich deutete zum Wohnzimmer.
    »Weg?«
    »Ja, Katja, sie ist weg. Der Hilgers hat sie gerade mitgeholt.«
    Der Bestattungsunternehmer aus Sankt Vith.
    »Wo?«
    »Gerichtsmedizin. Lüttich.«
    »Schlimm.«
    »Ja. Und jetzt geh bitte, Katja, und lass uns unsere Arbeit tun. Du störst hier nur.«
    In meinem eigenen Haus. Aber da wollte ich mich ohnehin nicht länger aufhalten. Nie wieder möchte ich da leben. Ich hätte es schon vor Jahren wissen müssen. Bei meiner Ankunft in der Eifel. Vielleicht saugen Wände aus den zwischen ihnen lebenden Menschen das Böse auf und geben es wie schimmlige Ausdünstungen später wieder an die neuen Bewohner ab.
    Frische Luft schlug mir entgegen, als ich aus der Haustür trat. Und noch etwas anderes.
    »Schnee«, sagte ich verblüfft, aber niemand hörte mich.
    Leise rieselt dieser Schnee nicht. Windböen peitschen ihn über die Kehr. Er klatscht gegen die Hauswand, gegen die geparkten Autos vor der Einkehr und hat schon mein Restaurantschild verklebt. Vor diesem Sturm sollte ich drinnen schnell Zuflucht suchen, aber ich lasse die Naturgewalt auf mich eindreschen, so als könnte ich nicht genug von Niederschlägen kriegen.
    Vor den Stufen der Einkehr drehe ich mich noch einmal um und blicke durch das wilde Gestöber hinüber nach Belgien. Auf die Lichter im Bruchsteinhaus, die offiziellen belgischen Fahrzeuge davor, die Beamten, die ein und aus gehen und sich im Sturm Unverständliches zurufen. Einen Fluch aber kann ich mir übersetzen: »Dräckswädder!«
    In der Tat, ein Dreckswetter.
    Autotüren knallen, und dann wird plötzlich alles dunkel. In Belgien ist also wieder mal der Strom ausgefallen. Ist dort ganz normal bei einem solchen Blizzard.
    In Deutschland nicht. Die von einer Schneehaube zur Funzel degradierte Lampe vor der Einkehr leuchtet immer noch.
    Lautes Bellen kündigt mich an.
    Die Tür meines Lokals öffnet sich.
    »Kommen Sie doch rein, Sie Arme«, sagt Petronella Schröder, blickt kurz ins Dunkel Belgiens heraus, schüttelt den Kopf und sagt: »Auch das noch. Hoffentlich kriegt die ESMA das schnell geregelt. Nicht, dass ich wieder alles Eingefrorene wegschmeißen

Weitere Kostenlose Bücher