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Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Titel: Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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mir Marcel mitgeteilt, der zu meinem Erstaunen meinen Anruf nicht nur entgegengenommen, sondern mir sogar bereitwillig und ausführlich Auskunft gegeben hat: »Keiner weiß, was hier los ist.«
    Es falle schwer, ein Dispositiv aufzubauen, also eine Analyse der Situation zu erstellen, wenn nichts weiter bekannt sei, als dass ein alter Reisebus der Marke Setra S6 mit betagten Eifeler Kaffeefahrern von unbekannten bewaffneten Entführern aus unbekannten Gründen gekapert worden sei und jetzt zur Hälfte auf dem belgischen Rand der deutschen Bundesstraße 265 stehe. Niemand weiß, wer im Bus mitgefahren ist, wie viele Entführer es gibt oder was sie wollen. Forderungen haben sie noch nicht gestellt.
    »Sie haben nur ein einziges Mal Kontakt mit uns in Sankt Vith aufgenommen«, erklärt Marcel, »da haben sie Hermann einen Text ablesen lassen; vermutlich um selber der Spracherkennung zu entgehen.«
    Hermanns Stimme habe entsetzlich gezittert.
    »Würde meine auch bei so einer Entführung«, bemerke ich.
    »Genau. Richtige Todesangst hatte er, meint der Psychologe«, fährt Marcel fort. »Auf Nachfragen von uns durfte er nicht antworten.«
    Vermutlich habe man dem armen Busfahrer beim Sprechen jene Waffe an den Kopf gehalten, aus der wenig später ein Schuss abgefeuert worden sei. Nicht im Setra selbst, sondern aus der Tür heraus, einfach aufs Feld. Wohl, um deutlich zu machen, wie ernst die Bedingung gemeint sei, dass sich niemand, und schon gar kein Polizist, dem Bus auf weniger als hundert Schritte nähern dürfe.
    Was im Fahrzeug selbst vorgehe, bleibe allen Blicken verborgen. Sämtliche Vorhänge seien dicht zugezogen und graue Jalousien an der Windschutzscheibe heruntergelassen worden. Die Kraft der Richtmikrofone reiche nicht aus, um Gesprächsfetzen aus dem Inneren aufzunehmen.
    Das Ganze sei ein Rätsel.
    Für mich ist es ein Rätsel, dass Marcel angesichts der hochdramatischen Lage Zeit findet, mir alles so ausführlich zu schildern.
    »Musst du denn nicht irgendwas tun?«
    »Was denn?«, entgegnet er. »Wir sind auf alles vorbereitet, aber niemand kann hier etwas tun. Wir warten ab.«
    »Warum haben die Entführer bei euch und nicht bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz angerufen? Bei all den deutschen Schildern können sie doch nicht geglaubt haben, dass sie in Belgien sind?«
    »Sind sie aber, mit zwei Rädern«, sagt Marcel, »und die Passagiertür geht auch nach Belgien auf. Wir wissen nicht, warum, aber es ist bestimmt kein Zufall, dass der Bus genau so angehalten wurde, mit einem Rad in Nordrhein-Westfalen, einem in Rheinland-Pfalz und zweien in Belgien. Das lässt darauf schließen, dass die Leute so viel Aufmerksamkeit wie möglich in Belgien und den beiden deutschen Bundesländern haben wollen und dass sie sich hier in der Gegend auskennen.«
    »Ich mich auch«, gebe ich zurück und setze hinzu: »Aber ich könnte meinen Wagen nicht so exakt auf alle Grenzen setzen, weil ich nicht weiß, wo die punktgenau verlaufen.«
    »Du weißt ja nicht mal, dass Verschneid um die Ecke ist. Stell dir vor, es gibt Leute, die Karten lesen können. Und darauf zum Beispiel erkennen, dass da, wo der Bus steht, die belgische Grenze genau in einem rechten Winkel verläuft.«
    »Wie, rechter Winkel?«, frage ich irritiert. »Von uns aus gesehen gehört doch die ganze rechte Seite bis fast nach Mooshaus zu Belgien!«
    »Irrtum. Der kleine Feldweg ist schon in Deutschland. Und das rechte Vorderrad steht genau noch in diesem belgischen Winkel, c’est fou !«
    Wie immer interessieren mich Menschen mehr als geografische Gegebenheiten. Ich mache mir Sorgen um die armen alten Leute, die jetzt schon seit über zwei Stunden voller Ungewissheit und möglicherweise Todesangst in dem entführten Bus ausharren müssen.
    »Wahrscheinlich kenne ich die meisten«, sage ich, »wenn auch nicht ihre Namen, aber ganz bestimmt vom Sehen!«
    »Wunderbar!«, ruft Marcel. »Da hätte ich auch selber draufkommen können!«
    Erst denke ich, dass er sich wieder über mich lustig macht, aber dann bittet er mich, augenblicklich zu Dallas zu fahren, um seinen Kollegen bei der Auswertung der Videoüberwachung des Supermarkts zu helfen.
    »Der Setra ist erst auf dem Nachhauseweg entführt worden. Also haben die Passagiere vorher noch was eingekauft. Nimm David mit, der hat einen guten Blick für Details. Ach ja, und danke für das betierte Tuch.«
    Ich brauche einen Moment, um zu begreifen, dass er damit Meissners Genmaterial meint,

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