Knochen-Mond
Geheimnis. Er mußte den Weg in die anderen Traumdimensionen ebnen. Nur er war in der Lage, den in ihm steckenden Geist weiterzureichen.
Der Felsen tat Suko nichts. Er bewegte sich nicht, er blieb in seiner ruhenden Position, aber er strömte etwas aus, das Suko schon berührte. Der Inspektor überlegte, was es sein konnte. Er war keine unmittelbare und körperliche Bedrohung, mehr eine geistige, vielleicht auch seelische, denn diese geheimnisvolle Kraft versuchte tatsächlich, in Suko etwas zu verändern.
Das wiederum spielte sich nicht im Körper, sondern im Kopf ab. Er merkte trotzdem, daß sein Körper schwächer wurde. Der Steuermechanismus des Gehirns hatte etwas von seiner Wirkung verloren. Er ließ sich nicht mehr so stark kontrollieren, das wiederum machte dem Inspektor Angst. Etwas anderes hatte bei ihm die Kontrolle übernommen.
Der schwarze Felsen, nur er trug daran die Schuld. Suko wollte nicht mehr länger hinschauen, tat jedoch das Gegenteil, denn er sah, daß sich oberhalb des Felsens, noch in der Wolkenschicht verborgen, etwas tat. Genau war es noch nicht erkennbar. Suko erkannte einen runden Fleck, einen blassen Kreis.
Eigentlich hätte es die Sonne sein müssen, die einen schüchternen Versuch unternahm, die Wolkenbank zu zerstören.
Sah so bleich eine Sonne aus?
Sukos Herzschlag zeigte eine gewisse Unruhe. Er merkte, daß etwas passieren würde und schaute dabei zu, wie der Kreis immer deutlicher hervortrat.
Nein, das war auf keinen Fall die Sonne. Hinter dem grauen Wolkenschleier hielt sich etwas anderes verborgen. Rund, bleich und in seinem Innern mit bestimmten Schattengebilden versehen. Der Mond!
Auch nicht normal, denn die Schatten gruppierten sich nicht so, wie man sie von der normalen Betrachtung her kannte. Sie hatten sich zu einem Gebilde zusammengefügt.
Zum erstenmal sah Suko den Knochenmond, und er wußte genau, daß er nur seinetwegen erschienen war.
Ein blasses skelettiertes Gesicht bildete sich dort ab. Wie mit feinen Pinselstrichen hineingemalt, um den Menschen, die nichts mit ihm zu tun hatten, Angst einzuflößen.
Suko spürte keine direkte Angst, in ihm steckte vielmehr eine Unruhe, die sich verfielfältigte, vergleichbar mit der, die einen Menschen erreichte, wenn er kurz vor einer Fernreise stand. Da nahm jemand Einfluß auf ihn, und Suko konnte sich kaum dagegen wehren, obwohl er so trainiert war. Er schaffte es nur, sich mit etwas schwerfällig anmutenden Bewegungen umzudrehen, weil er wissen wollte, wie sich sein Führer hinter ihm verhielt.
Der tat nichts.
Er stand da, starrte Suko an, die Lippen des breiten Mundes noch mehr verzogen.
»Was ist das?« fragte Suko. Als er sich sprechen hörte, wunderte er sich über die keuchenden Laute, die aus seinem Mund drangen. Er redete, als würde er unter Streß stehen.
»Der Knochenmond!«
»Schon am Tage?«
»Ja, er hat gemerkt, daß jemand gekommen ist, um zu stören. Auch Evans hat gestört. Er hätte alles so lassen sollen, wie es gewesen war. Aber er mußte sich ja um die Dinge kümmern, die ihn einfach nichts angingen. Das hat er nun davon.«
Suko hörte genau hin. Die Worte erreichten seine Ohren auch. Nur nahm ersie auf wie durch einen Filter. Da paßte einiges nicht mehr zusammen. Sein Gehör war verändert, und auch das Gleichgewicht war aus dem Rhythmus gebracht worden.
Als er auf das Bett zuging, schwankte er. Suko konnte es nicht verhindern. Er geriet sogar ins Stolpern. Die fremde Kraft hatte bereits einen zu starken Einfluß auf ihn bekommen. Sie ließ sich auch durch eine Konzentration auf die normale Umgebung nicht vertreiben. Es war für ihn unmöglich, der Magie des schwarzen Felsens zu entkommen. Suko mußte die Folgen tragen.
Der Alte streckte ihm seinen rechten Arm entgegen. Aber nicht, um Suko zu stützen, sondern weil er seine Worte durch die entsprechende Bewegung unterstreichen wollte und er sich fühlte wie ein Feldherr auf dem Hügel.
»Wir haben dich gewarnt, aber du wolltest nicht hören. Deshalb wirst du auch die Folgen zu tragen haben. Nichts mehr in deinem Leben wird so sein, wie es einmal gewesen ist. Du bist in den Machtbereich des schwarzen Felsens hineingeraten. Er hat dich getroffen, er ist dabei, deine beiden Ichs zu lösen. Diesmal hat der Knochenmond nur für dich geleuchtet, Fremder. Nur für dich.«
»Aber ich…« Suko konnte nicht mehr weitersprechen. Erstens versagte seine Stimme, und zum zweiten veränderte sich die Gestalt des alten Mannes vor seinen Augen. Sie
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