Knochen-Mond
heran. Nur dort haben wir eine Chance.« Er schaute mich an.
»Können wir sofort fahren?«
»Ich habe nur auf dich gewartet.«
»Gut. Wenn wir gut durchkommen, werden wir die nächste Nacht in Wales erleben und natürlich auch den Knochenmond. Es muß etwas geschehen, John, wirklich.«
»Wir werden es schon schaffen, keine Sorge.«
Auch Dennis wollte fahren. Ich warf noch einen Blick auf das Telefon, was Barry auffiel.
»Hat Suko von sich hören lassen?« Ich hatte ihm berichtet, daß mein Freund vorgefahren war.
»Nein, leider nicht.«
Er ballte die Hände. »Muß das etwas zu bedeuten haben?«
»Ich weiß es nicht, sorry.«
»Ja, schon gut.« Er wollte nicht weiter fragen, denn er konnte sich ebenfalls vorstellen, daß ich mir Sorgen machte. Der Rover stand vollgetankt in der Tiefgarage. Er wartete nur darauf, gestartet zu werden. Bracht nahm neben mir Platz. Dennis verzog sich auf einen Rücksitz. Als wir starteten, war es soeben hell geworden, aber der neue Tag über London würde trübe bleiben.
Wie auch meine Gedanken…
***
Suko war noch er selbst oder ein Teil von ihm, aber er befand sich in einer anderen Welt.
Fremde magische Kräfte hatten es geschafft, sein zweites Ich vom ersten zu lösen, an das er nur mehr eine Erinnerung besaß, mehr nicht, denn alles konzentrierte sich jetzt auf das zweite. Er konnte denken, fühlen, sich bewegen, er war die Projektion seines Körpers in der fremden Dimension. Sein zweites Ich hatte keine andere Gestalt angenommen, wie Suko durch Abtasten feststellen konnte. Aber er befand sich in einer Welt, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte.
Es herrschten düstere Farben vor. Schwarz und grau, dazwischen ein dunkles Grün. Trotz dieser Farben schimmerte die Umgebung, als wären sie mit einer Nässe überzogen worden.
Der Boden unter ihm war hart. Wenn er hinschaute, konnte er die Pflastersteine erkennen, die dicht nebeneinander lagen und einen Weg bildeten, der als lange Krümmung einem bestimmten Ziel entgegenlief. Es war ein wuchtiges düsteres Etwas, das sich in der Ferne abhob und aussah wie eine Burg.
Die Traumburg, gebildet aus den Alpträumen der Menschen, wo auch Suko sein übriges beitat.
Ein bestimmtes Ziel hatte er nicht. Wenn sich die Burg schon anbot, dann wollte er dorthin, um sich da genauer umzuschauen, denn er dachte auch an den blutüberströmten Mann, der auf dem Bett lag und von seinen schrecklichen Träumen verfolgt wurde.
Wenn es einen Himmel gab, konnte Suko ihn nicht erkennen. Erde und Himmel gingen ineinander über und bildeten irgendwo in der Ferne eine düstere Einheit.
Suko wollte die Burg zwar erreichen, er war jedoch vorsichtig und rannte nicht einfach los. Dann tastete er sich ab.
Es traf ihn völlig unvorbereitet und zerstörte seine Hoffnungen radikal. Sein zweites Ich sah zwar so aus wie das erste, es gab trotzdem eine Veränderung, und zwar eine sehr schlimme.
Suko war waffenlos!
Wenn er sich jetzt wehrte, dann mußte er es mit seinen Fäusten versuchen. Er konnte keine Silberkugel abschießen und auch nicht die Dämonenpeitsche einsetzen. Von seinem Stab ganz zu schweigen. Welche Gegner ihm gegenüberstanden, wußte er ebenfalls nicht. Aber diese Geschöpfe würden sicherlich stärker sein, als ein waffenloser Mensch, denn so fühlte er sich.
Eine Bewegung lenkte ihn ab.
Hoch über ihm hatte er das Flattern wahrgenommen, als wäre ein Segel durch die Luft bewegt worden.
Er schaute hoch und sah ein vogelähnliches Etwas, das mit weit ausgebreiteten Schwingen durch die Dunkelheit flog. Das Wesen erinnerte Suko an eine riesige Fledermaus.
Aus der angeblichen Fledermaus kristallisierte sich der Körper eines Menschen hervor mit seinem Kopf, den Suko kannte. Er wuchs auf einem affenartigen behaarten Körper wie eine Kugel, die an der Vorderseite nicht glatt war, sondern zusammengedrückt erschien, so daß die Haut dicke Falten werfen konnte.
Suko erkannte das Gesicht trotzdem.
Es gehörte einer Person, die er kannte und die aus dem Dorf Llannonwelly stammte.
Es war der Alte!
Furchtbar verändert, mit sehr breiten Schwingen, die wie Lappen wirkten, wenn er sie bewegte. Der Kopf saß auf dem dünnen Hals und bewegte sich beim Tieferfliegen nickend, als wollte er Suko auf diese Art und Weise begrüßen. Zusätzlich drang aus seinem Maul ein schrill klingendes Krächzen. Das faltige Gesicht war verzogen, als hätte jemand Samt zusammengedrückt. Hart und dunkel funkelten seine Augen, deren böser Blick in die Tiefe
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