Knochen-Mond
wußte ich noch nicht, aber die Idee in meinem Kopf weitete sich immer stärker aus, und ich handelte bereits mit einem gefährlichen Namen und Begriff. Jericho!
Durch ihn hatten wir damals von Barry F. Bracht gehört. Er war ebenfalls ein großer Manipulator der menschlichen Träume gewesen, und es war durchaus möglich, daß er es verstanden hatte, seine Macht durch den Knochenmond zu steigern.
Gehört hatte ich bisher nichts von ihm, auch keine Spur gefunden, die direkt zu ihm wies. Vielleicht konnte mir Tom Evans eine Antwort geben. Wir waren wieder zurückgegangen und von der Hauptstraße abgebogen. Tom wohnte gewissermaßen im letzten Haus, das noch zu Llannonwelly zählte, am Ortsrand und weg von all seinen Mitbewohnern. Es war von einem Garten umgeben. Bis hierher reichte das Licht des Knochenmondes nicht. Der fahle Kreis stand weit hinter uns wie ein Auge, dem nichts entging.
Vor der Tür blieb Dennis stehen. Er atmete heftiger, als hätte er Furcht bekommen.
»Was ist, Junge?«
Er hob die Schultern. »Ich kann es dir nicht genau sagen, John, vieles ist anders geworden.«
»Kannst du dich genauer ausdrücken?«
»Nein, ich spüre nur die Einflüsse und glaube, daß… also daß Tom nicht allein im Haus ist.«
»Aber er wohnt allein.«
»Das schon.«
Ich lächelte ihn an. »Es ist auch möglich, daß er Besuch von meinem Freund Suko bekommen hat. Schließlich habe ich ihn auch über Tom Evans informiert.«
Dennis erschrak. »Das ist schlecht, glaube ich. Dann wird Suko auch in den Einfluß geraten sein.«
»Wir werden es herausfinden«, sagte ich und griff nach der Türklinke, die ich leicht bewegte.
Im Haus selbst empfing uns eine bedrückende Atmosphäre. Hinzu kam die Dunkelheit, die von keinem Lichtstrahl unterbrochen wurde. Ich faßte automatisch nach meiner kleinen Bleistiftleuchte, und schon strich der Lichtfinger durch einen ziemlich großen Raum, der als Arbeits-und Wohnbereich diente.
Ich suchte nach Spuren, auch nach Hinweisen darauf, daß Suko hiergewesen war, aber ich fand leider nichts. Bis mir Dennis zuwinkte und auf eine freischwebende Treppe zuging.
»Wo führt sie hin?« fragte ich flüsternd.
»In sein Schlafzimmer. Es liegt oben.«
»Okay.« Als Dennis vorgehen wollte, hielt ich ihn zurück. »Nein, Junge, laß mich das lieber machen.«
»Warum? Ich kenne mich hieraus!«
»Aber du weißt nicht, was uns erwartet.«
»Das stimmt.«
Leider war es nicht möglich, die Treppe geräuschlos zu besteigen. Dennis ging hinter mir. Ich hörte sein heftiges Atmen und blieb erst stehen, als ein Vorhang mir die Sicht nahm.
Nach genauer Prüfung entdeckte ich auch den Spalt. Er war also zurückgezogen worden.
Dahinter lag Evans' Schlafzimmer, aus dem ich keinen Laut vernahm. Kein Atmen, kein Knarren irgendwelcher Bodenbretter. Dennis schaute mich an. »Was ist?« wisperte er. »Traust du dich nicht, John?«
»Das hat damit nichts zu tun, Junge. In ähnlichen Situationen habe ich schon böse Überraschungen erlebt.«
Er hob die Schultern und wartete darauf, daß ich den fremden Raum betrat.
Mit einem langen Schritt hatte ich ihn erreicht, mich durch den Spalt geschoben, ließ den Lampenstrahl kreisen - und sah die beiden bewegungslosen Gestalten.
Tom Evans lag rücklings auf dem Bett, übersät von zahlreichen Wunden. Daneben lag die zweite Gestalt auf dem Boden, den Kopf ein wenig zur Seite gedreht. Und den Mann kannte ich viel besser. Es war Suko!
Das hätte mich nicht einmal so stark in Schrecken versetzt. Es war allein die Tatsache, daß beide Männer aussahen, als wären sie tot…
***
Genau das hatte auch Dennis gemerkt. Er wollte an mir vorbeilaufen, doch ich hielt ihn fest. »Nein, Junge.«
»Aber Tom und dein Freund Suko…«
»Langsam, Dennis. Wir haben Zeit, Junge.« Da Suko mir näher stand als Tom Evans, leuchtete ich ihn zuerst an.
Sein Gesicht sah aus, als hätte jemand Puder auf den dünnen Schweißfilm gelegt. So bleich und weiß. Ich bemerkte allerdings schon im Stehen, daß er nicht tot war. Im grellen Strahl der Lampe zeichnete sich unter seiner Haut am Hals eine zuckende Ader ab. Vorsichtig beugte ich mich nieder und berührte mit der Fingerspitze die Haut. Sie besaß eine normale Temperatur und war nicht so stark abgekühlt, wie es bei einem Toten der Fall gewesen wäre. Dennis stand gebückt neben mir. »Das ist wie bei allen anderen, John. Sie liegen in einem Tiefschlaf.«
»Dann ist auch Suko zu einem Opfer des Knochenmonds geworden, fürchte
Weitere Kostenlose Bücher