Knochen zu Asche
Tisch. »Das ist ihr Foto aus der siebten Klasse.«
Céline betrachtete das Bild. Ich achtete genau auf eine Reaktion, aber ich sah keine.
»Hübsche Kleine.« Céline räusperte sich und wandte den Blick ab.
»Hast du sie schon mal gesehen?«, fragte ich.
»Nein.« Céline schaute weiter ins Leere.
Ich legte ihr Kelly Sicards Foto vor.
»Was ist mit ihr?«
Diesmal waren ein kurzes Zucken der Lippen und ein Flackern in den Augen zu erkennen. Nervös wischte sie sich mit dem Handrücken über die Nase.
»Céline?«
»Ich habe sie gesehen. Aber wie du gesagt hast, das ist lange her.«
Ich spürte Erregung in mir aufsteigen. »Hier drinnen?«
Céline schaute sich über die Schulter hinweg in der Bar um.
»Mr. Bastarache hat einen Laden in Moncton. Le Chat Rouge. Die Kleine hat dort getanzt. Aber nicht lange.«
»Ihr Name war Kelly Sicard.«
»Der Name sagt mir gar nichts.«
»Kitty Stanley?«
Ein pinkfarbener Nagel schoss in die Höhe. »Genau. Sie tanzte als Kitty Chaton. Niedlich, was? Kitty Kätzchen.«
»Wann war das?«
Sie lächelte bitter.
»Zu lange her, Sonnenschein.«
» Weißt du, was mit ihr passiert ist?«
Céline nahm sich die nächste Zigarette aus der Packung. »Kitty hat das große Los gezogen. Hat einen Stammgast geheiratet und ist ausgestiegen.«
»Kannst du dich an den Namen des Mannes erinnern?«
»Keine Namen in unserem Gewerbe.«
»Fällt dir sonst irgendwas über ihn ein?«
»Er war kurz und hatte einen dürren Arsch.«
Céline zündete sich die Zigarette an und wedelte sich mit einer Hand den Rauch vom Gesicht weg. »Moment mal. Da ist doch was. Jeder nannte ihn Bouquet Beaupré.«
»Warum?«
»Er hatte einen Blumenladen in Sainte-Anne-de-Beaupré.«
Célines Blick war jetzt ruhig und klar, ein leichtes Grinsen umspielte ihre Lippen. »Jaa. Kitty Kätzchen hat den Absprung geschafft.«
Als ich nun die Frau anschaute, verspürte ich eine unerwartete Traurigkeit. Sie war einmal hübsch gewesen, war es unter der Haarbleiche und dem zu dicken Make-up vielleicht immer noch. Sie war in meinem Alter.
»Danke«, sagte ich.
»Kitty war ein gutes Mädchen.« Sie schnippte Asche auf den Boden.
»Céline«, sagte ich. »Du könntest den Absprung auch schaffen. «
Sie schüttelte langsam den Kopf, und in ihren Augen sah ich, dass sie alle Illusionen verloren hatte.
In diesem Augenblick tauchte Ryan auf.
»Hab was Merkwürdiges gefunden.«
34
Céline und ich folgten Ryan durch den beleuchteten Sortie in einen dunklen Korridor. Deschênes schaute uns gelangweilt und mit schweren Lidern an. Rechts von ihm war durch einen Türspalt eine kleine Garderobe zu sehen. Hinter einem Rauchschleier konnte ich den Barkeeper und die beiden Kimono-Mädchen zwischen Spiegeln, Make-up-Dosen und Paillettenfetzen, die anscheinend Kostüme darstellen sollten, erkennen.
Links lag ein Raum mit einer Täfelung aus Holzimitat. Hippo war darin und sichtete Unterlagen am Schreibtisch.
Céline ging zu ihren Kolleginnen. Ryan und ich gingen zu Hippo.
»Was gefunden?«, fragte Ryan.
»Sieht aus, als hätte er dieses Büro eine ganze Weile nicht benutzt. Rechnungen und Quittungen sind alle mindestens zwei Jahre alt.«
»Ich hab was.«
Beide Männer schauten mich an.
»Die blonde Tänzerin, Céline, sagte, Kelly Sicard habe in Bastaraches Laden in Moncton unter dem Namen Kitty Stanley gearbeitet. Legte sich den Künstlernamen Kitty Chaton zu. Heiratete einen Floristen aus Sainte-Anne-de-Beaupré.«
»Wann?«
»Bei Daten ist Céline ein bisschen vage.«
»Sollte nicht schwer sein, den Kerl aufzuspüren«, sagte Ryan.
Hippo holte bereits sein Handy heraus. »Bin schon dabei.«
Eine Seitentür im Büro führte zu einer Treppe. Ryan und ich stiegen in eine Art Loft hinauf.
Die Wohnung war ein einziges, großes Quadrat, in dem Schlaf-, Ess- und Wohnbereiche durch Möbelgruppen unterteilt waren. Die Küche wurde von einer Arbeitstheke und Hockern abgetrennt. Das Wohnzimmer wurde von einer Sitzgruppe aus Chrom und schwarzem Leder beherrscht. Die Sofa-Sessel-Kombination stand vor einem Flachbildschirm-Fernseher auf einem Untersatz aus Glas und Stahl. Der Schlafbereich bestand aus einem Doppelbett, einem sehr großen, hölzernen Schreibtisch, einem Beistelltisch und einem Kleiderschrank. Er wurde abgegrenzt von einem L aus schwarz-metallenen Aktenschränken. In einer Ecke war mit Trennwänden und einer Tür ein Bad abgeteilt.
Zwei Spurensicherungstechniker taten, was Spurensicherungstechniker
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