Knochen zu Asche
nicht mehr so einfach sein, eine Tagesmutter zu finden.«
»Sie kennen doch das Sprichwort mit dem Säen und Ernten. «
»Ich war jung und dumm. Ich habe dieses Leben seit fast acht Jahren hinter mir. Meine Töchter haben keine Ahnung davon.« Beim Reden ließ sie den Blick durchs Café wandern. Ich merkte deutlich, dass sie sehr nervös war.
Eine Kellnerin trat an unseren Tisch. Sie hieß Johanne. Ryan und ich bestellten Kaffee. Karine nahm sich noch eine heiße Schokolade.
»Ich werde mich um äußerste Diskretion bemühen«, sagte Ryan, als Johanne wieder gegangen war. »Unser Interesse ist nicht auf Sie gerichtet.«
Karine entspannte sich ein wenig. »Auf wen dann?«
»David Bastarache.«
»Was ist mit ihm?«
Ryan durchbohrte sie mit seinen butanblauen Augen. »Erzählen Sie es uns.«
»Bastarache besitzt Bars.« Wieder huschte Karines Blick durch den Raum. »Ich hab damals in einer davon getanzt. La
Chat Rouge in Moncton. Da hab ich meinen Mann kennengelernt. «
»Wann haben Sie Bastarache das letzte Mal gesehen?«
»Irgendwann, bevor ich aufhörte. Aber da war alles okay. Mr. Bastarache war nie sauer auf mich.«
»War das alles, Karine? Nur Strippen?«
Johanne kam wieder und verteilte Tassen und Löffel. Karine wartete, bis sie gegangen war.
»Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Aber Anschaffen war nicht mein Ding. Ich habe nur gestrippt.«
»Nie in einem Filmchen ein wenig Busen gezeigt?«
Karine hob ihre Tasse und setzte sie wieder ab, ohne zu trinken. Ich sah, dass ihre Hand zitterte.
»Erzählen Sie uns von Stanislas Cormier«, sagte Ryan.
Karines Blick kroch zu mir. » Wer ist das?«
»Meine Partnerin. Stanislas Cormier?«
»Ihr seid vielleicht gründlich.«
»Nicht so gründlich, wie wir es sein könnten.«
»Ich war fünfzehn. Ich wollte ein Spice Girl werden.« Sie rührte in ihrer heißen Schokolade. »Wollte in Hollywood leben und im People -Magazin erscheinen.«
»Erzählen Sie weiter.«
»Ich bin zu Cormier gegangen, weil ich mir eine Fotomappe machen lassen wollte. Sie wissen schon, Glamour-Fotos. Ich hatte in einem Artikel gelesen, dass das der richtige Weg wäre, um es als Model oder Schauspielerin zu schaffen. Was wusste ich denn schon? Während der Sitzung sind wir ins Reden gekommen. Cormier hat mir angeboten, mich mit einem Agenten in Kontakt zu bringen.«
»Wenn Sie mit ein paar fragwürdigen Posen einverstanden wären.«
»Schien ziemlich harmlos zu sein.«
»War es das?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Erzählen Sie weiter.«
»Fällt mir schwer, darüber zu sprechen.«
»Versuchen Sie es.«
Karine hielt den Blick auf die Tasse gesenkt. »Ungefähr eine Woche nach der Sitzung rief ein Mann an und meinte, er hätte eine kleine Rolle für mich in einem Film mit dem Titel Wampum. Ich war so aufgeregt, dass ich mir fast ins Höschen gemacht hätte. Hab gedacht, das wäre jetzt eine Fahrkarte in die Freiheit, weg von meinen Nazi-Eltern.«
Karine schüttelte traurig den Kopf. Wem oder was sie jetzt wohl nachtrauerte?, fragte ich mich. Ihren verlorenen Eltern? Ihrer verlorenen Jugend? Ihren verlorenen Träumen von der Berühmtheit?
»Der Mann brachte mich in ein schäbiges Hotel. Ich hatte Mokassins an, während ein Kerl in einem Lendenschurz mich fickte. Ich bekam fünfzig Mäuse.«
»Bastarache.«
Karine hob erstaunt den Kopf. »Nein. Pierre.«
»Familienname?«
»Hat er mir nie gesagt, und ich hab nie danach gefragt.« Sie schluckte. »Pierre meinte, ich hätte Talent. Und meinte, wenn ich exklusiv nur für ihn arbeitete, könnte er meine Schauspielkarriere ankurbeln.«
»Sie haben geglaubt, dass dieser Pierre einen Star aus Ihnen machen würde?« Ich versuchte, mir meine Ungläubigkeit nicht anmerken zu lassen.
»Cormier beharrte darauf, dass Pierre ein Agent mit den allerbesten Beziehungen sei.Was wusste ich denn schon? Er hatte den richtigen Jargon drauf. Behauptete, alle wichtigen Leute zu kennen. Ich vertraute ihm.«
Hinter uns klapperte Johanne mit Geschirr.
»Nach ein paar Wochen sagte Pierre, ich müsse von zu Hause ausziehen. Eines Abends sagte ich meinen Eltern, ich würde zu einer Freundin gehen, um zu lernen. Stattdessen ging ich in
eine Bar. Als ich wieder rauskam, holte Pierre mich ab, und wir fuhren in so ein großes, altes Haus in der Pampa. Ein bisschen runtergekommen, aber viel besser als das, was ich von zu Hause in Rosemère gewohnt war. Ein paar andere Mädchen wohnten auch dort, also schien es okay zu sein. Pierre half mir, die
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