Knochen zu Asche
ist, hat sie doch sicher irgendwo einen reservierten Parkplatz. Warum benutzt sie ihn nicht?«
»Vielleicht ist es nur ein kurzer Aufenthalt«, sagte ich.
Was immer Bastarache und Francoeur vorhatten, es dauerte
so lange, dass mir die Beschattung langweilig wurde. Ich beobachtete Büroangestellte, die mit Deckelbechern voller Starbucks-Kaffee zur Arbeit eilten. Eine Mutter mit einem Kinderwagen. Zwei blauhaarige Punks mit Skateboards unterm Arm. Einen bemalten Straßenkünstler mit Stelzen unterm Arm.
Im Impala wurde es stickig und warm. Ich kurbelte mein Fenster herunter. Stadtgerüche wehten herein. Müll. Salz und Benzin vom Fluss.
Ich kämpfte gegen die Schläfrigkeit an, als Ryan den Motor anließ.
Ich schaute zu dem Gebäude, das Bastarache und Francoeur betreten hatten. Unser Freund kam eben durch die Tür.
Bastarache richtete eine Fernbedienung auf den Mercedes. Das Auto machte piep-piep, und die Lichter blinkten auf. Er riss die Tür auf, setzte sich hinters Steuer und reihte sich in den Verkehr ein. Als der Mercedes an uns vorüber war, ließ Ryan noch einige Autos vorbei und folgte dann.
Bastarache schlängelte sich durch die Stadt auf den Boulevard Sainte-Anne und schien uns überhaupt nicht zu bemerken. Sein Kopf wippte auf und ab, und ich nahm an, dass er mit dem Radio spielte oder eine CD einlegte.
Einige Meilen außerhalb der Stadt bog Bastarache nach rechts auf eine Brücke über den St. Lawrence ein.
»Er fährt auf die Île d’Orléans«, sagte Ryan.
»Was gibt’s dort draußen?«
»Farmen, ein paar Sommerhäuser und Bed-and-Breakfasts und eine Handvoll winziger Käffer.«
Bastarache überquerte die Insel auf der Route Prévost und bog dann nach links auf den Chemin Royal ein, eine zweispurige Teerstraße, die am gegenüberliegenden Ufer entlangführte. Vor meinem Fenster glitzerte das Wasser blau-grau in der frühmorgendlichen Sonne.
Der Verkehr war hier nur schwach, was Ryan zwang, einen größeren Abstand zwischen uns und dem Mercedes zu lassen.
Hinter dem Dorf Saint-Jean bog Bastarache rechts ab und war plötzlich außer Sicht.
Als Ryan ebenfalls abbog, war von Bastarache nichts mehr zu sehen. Ich sagte nichts und bearbeitete weiter meine Nagelhaut. Sie war inzwischen grellrot.
Während wir die Teerstraße entlangrollten, betrachtete ich die Landschaft. Links und rechts breitete sich ein Weingarten aus. Das war alles. Hektar um Hektar Weinstöcke, schwer und grün.
Nach einer Viertelmeile endete die Straße in einer T-Kreuzung. Direkt vor uns lag der Fluß, hinter einem Trio aus typischen Quebecer Wohnhäusern. Graue Steinwände, hölzerne Türvorbauten, spitze Giebel, oben Gaubenfenster, unten Blumenkästen. Der Mercedes stand auf der Einfahrt neben dem östlichsten Haus.
Die Flussstraße führte links weiter, endete aber rechts schon nach zehn Metern. Ryan fuhr zu diesem Ende, wendete und schaltete den Motor aus.
»Und jetzt?« Ich fragte das in letzter Zeit ziemlich oft.
»Jetzt beobachten wir.«
»Wir gehen nicht rein?«
»Zuerst peilen wir mal die Lage.«
»Hast du wirklich Lage peilen gesagt?«
»Observation Code sechs bei Zielobjekt.« Ryan reagierte auf meinen Sarkasmus mit weiterem TV-Bullen-Slang.
»Du bist echt zum Lachen.« Ich weigerte mich, ihn zu fragen, was Code sechs bedeutete.
Vierzig Minuten später ging die Tür auf, unser Zielobjekt kam heraus und eilte die Stufen hinunter zum Mercedes. Seine Haare waren nass, und er trug ein frisches apricotfarbenes Hemd.
Ohne nach links oder rechts zu schauen, brauste Bastarache rückwärts die Einfahrt hinunter und wendete mit quietschenden Reifen. Ryan und ich sahen zu, wie er, eine Staubfahne
hinter sich herziehend, über die Teerstraße in Richtung Chemin Royal davonraste.
Ryan griff ins Handschuhfach und zog eine Gürteltasche heraus. Ich kannte den Inhalt. Handschellen, Polizeimarke, eine Glock 9 mm und Magazine. Ryan benutzte das Ding, wenn er keine Jacke trug.
Er zog das Hemd aus der Hose, schnallte sich die Tasche um den Bauch und kontrollierte das Band, mit dem sich der Reißverschluss aufziehen ließ. Dann ließ er den Motor an, und wir rollten die Straße hinunter.
Vor dem Haus stiegen wir aus dem Impala und sahen uns um. Die einzige Bewegung kam von einem räudigen braunen Spaniel, der zwanzig Meter weiter oben einen Kleintierkadaver am Straßenrand beschnupperte.
Ich schaute Ryan an. Er nickte. Wir gingen hintereinander zur Haustür.
Ryan drückte mit dem Zeigefinger seiner linken Hand auf
Weitere Kostenlose Bücher