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Knochen zu Asche

Knochen zu Asche

Titel: Knochen zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Akadier stellen uns immer mit unseren Herkunftsnamen vor. Ich zum Beispiel, ich bin Hippolyte à Hervé à Îsaïe à Calixte –«
    »Was haben Sie erfahren?«
    »Ich hab’s Ihnen ja gesagt, vierzig Jahre sind eine lange Zeit. Aber der akadische Heimatkundeverein hat einen verdammt großen Tresorkeller. Hab ein paar Einheimische gefunden, die sich an Laurette und ihre Kinder erinnerten.Viel reden wollte keiner, von wegen Schutz der Privatsphäre und so weiter. Aber das Wesentliche habe ich schon erfahren.
    Als Laurette zu krank wurde, um zu arbeiten, nahmen die Verwandten ihres Mannes sie zu sich. Die Landrys lebten außerhalb der Stadt. Blieben meistens für sich. Einer von den Alten nannte sie morpions. Proleten. Meinte, sie waren alle mehr oder weniger Analphabeten.«
    »Laurette hatte einen Führerschein.«
    »Nein. Laurette hatte ein Auto.«
    »Sie muss einen Führerschein gehabt haben. Sie ist über die Grenze gefahren.«
    »Okay.Vielleicht wurde irgendjemand geschmiert.Vielleicht war sie schlau genug, um ein paar Worte zu lesen und ein paar Straßenschilder auswendig zu lernen.Wie auch immer, Philippe machte sich aus dem Staub, als Laurette mit Obéline schwanger war, sodass sie sich allein um die zwei kleinen Mädchen kümmern musste. Sie schaffte es fünf oder sechs Jahre lang, musste dann aber aufhören zu arbeiten. Schließlich starb sie an irgendwas Chronischem. Klang für mich nach Tb. Dieser alte Knacker meinte, sie sei irgendwann Mitte der Sechziger in
Richtung Saint-Isidore gezogen. Möglich, dass ihre Familie dort lebte.«
    »Und die Mädchen?« Das Herz hämmerte mir gegen den Brustkorb.
    »Obéline Landry heiratete neunzehnachtzig einen Kerl namens David Bastarache. Bin gerade dabei, ihn zu überprüfen. Und die Saint-Isidore-Spur zu verfolgen.«
    »Was ist mit Évangéline?«
    »Ich sag’s Ihnen ganz ehrlich. Wenn ich nach Laurette oder Obéline frage, kriege ich Auskünfte. Oder zumindest was, das klingt wie Auskünfte. Wenn ich nach der älteren Schwester frage, werden die Leute zu Eisbergen.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Ich will damit sagen, dass ich so was schon eine ganze Weile mache. Ich habe Antennen. Wenn ich nach diesem Mädchen frage, kommen die Antworten zu schnell und zu eintönig.«
    Ich wartete.
    »Kein Mensch weiß irgendwas.«
    »Verbergen die Leute etwas?« Ich umklammerte den Hörer so fest, dass die Sehnen in meinem Handgelenk hervortraten.
    »Da würde ich drauf wetten.«
    Ich berichtete Hippo, was ich von Trick Whalen erfahren hatte. Die Pfandleihe in Miramichi. Die mojo -Skulptur. Der indianische Friedhof.
    »Wollen Sie, dass ich diesen O’Driscoll anrufe?«
    »Nein. Wenn Sie Adresse und Telefonnummer herausfinden können, recherchiere ich die Knochen, während Sie den Spuren in Tracadie nachgehen.«
    »Gehen Sie nicht weg.«
    Hippo ließ mich gut zehn Minuten warten.
    »Der Laden heißt Oh, oh! Pawn. Sehr einfühlsam. Ein Pfandleiher, der seine Kunden bedauert.« Er gab mir eine Telefonnummer und eine Adresse am King George Highway.

    Zellophan knisterte. Dann: »Sie haben gesagt, dass an dem Skelett dieses Mädchens irgendwas nicht stimmt.«
    »Ja.«
    »Schon rausgefunden, was?«
    »Noch nicht.«
    »Lust, am Samstag zu arbeiten?«
    Keine Armee der Welt hätte mich von diesen Knochen fernhalten können.
     
    Um halb neun war ich im Wilfrid-Derome. Trotz der Vorhersage hatte es keinen Regen gegeben, und die Temperatur war auch nicht gesunken. Schon jetzt zeigte das Thermometer über fünfundzwanzig Grad.
    Ich fuhr allein im Aufzug, und auch in der Lobby und den Korridoren des LSJML begegnete ich niemandem. Es freute mich, dass nichts und niemand mich stören würden.
    Ich irrte mich. Eine von mehreren Fehleinschätzungen, die ich an diesem Tag treffen sollte.
    Als Erstes rief ich O’Driscoll an. Niemand meldete sich.
    Enttäuscht wandte ich mich dem Skelett zu. Hippos Mädchen. Bevor ich von dem Iqaluit-Schädel und der Hundeexhumierung in Blainville unterbrochen worden war, hatte ich gesäubert, was von Torso und Gliedmaßen noch übrig war.
    Deshalb wandte ich mich direkt dem Schädel zu, säuberte das Hinterhauptsloch und pulte Erde und kleine Kiesel aus der Schädelbasis.
    Um halb zehn versuchte ich es noch einmal bei O’Driscoll. Wieder kein Glück.
    Zurück zu den Erdarbeiten. Rechter Gehörgang. Linker. Hinterer Gaumen. Im ganzen Institut dröhnte die Stille, die nur in Regierungseinrichtungen am Wochenende möglich ist.
    Um zehn legte ich meine Sonde

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