Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
Vom Netzwerk:
Ahnung.«
    Ryan ging nach oben, und ich machte mich wieder an die Bergung. Der Unterkiefer war noch nicht ganz trocken, deshalb wandte ich mich dem Schädel zu.
    Das Gehirn enthält eine große Menge Wasser. Wenn es Hitze ausgesetzt wird, kocht es und dehnt sich aus, was den hydrostatischen Druck im Schädel erhöht. Bei genügend Hitze kann das Schädeldach aufreißen oder sogar explodieren. Dieser Kopf war jedoch in ziemlich gutem Zustand. Obwohl das Gesicht nicht mehr existierte und die Knochenaußenseite verkohlt war und abblätterte, waren große Teile des Schädels intakt. Bei der Intensität des Feuers überraschte mich das.
    Als ich Schlamm und Asche entfernt hatte und mir den Schädel genauer anschaute, sah ich warum. Einen Augenblick lang starrte ich nur darauf. Dann drehte ich den Schädel um und inspizierte das Stirnbein.
    O Gott.
    Ich stieg die Leiter hinauf und streckte den Kopf in die Küche. Ryan stand an der Anrichte und unterhielt sich mit Halloran.
    »Sie kommen besser mal runter.«
    Beide hoben die Augenbrauen und tippten sich fragend an die Brust.
    »Beide.«
    Ryan stellte den Styroporbecher, den er in der Hand hielt, auf die Anrichte.
    »Was ist denn?«
    »Dieses Opfer da hat das Feuer vielleicht gar nicht mehr mitbekommen.«

4
    Es wurde später Nachmittag, bis der letzte Knochen eingepackt und transportbereit war. Ryan sah zu, wie ich behutsam die Schädelfragmente vom Boden auflas, einwickelte und in Plastikbehälter legte. Ich würde die Überreste im Labor analysieren. Der Rest der Ermittlung war seine Aufgabe.
    Es dämmerte bereits, als ich aus dem Keller kam. Mir war so kalt, daß ich glaubte, nie mehr warm werden zu können. Zum zweiten Mal hintereinander hatte ich am Ende eines Nachmittags nicht mehr das geringste Gefühl in den Fingern. Ich hoffte, daß keine Amputation nötig sein würde.
    Da LaManche bereits verschwunden war, fuhr ich mit Ryan und seinem Partner Jean Bertrand nach Montreal zurück. Ich saß bibbernd im Fond und bat sie, die Heizung mehr aufzudrehen, während sie schwitzend vorne saßen und sich Stück um Stück aus ihren Kleidern schälten.
    Ihre Unterhaltung drang nur gelegentlich zu mir durch. Ich war völlig erschöpft und sehnte mich nur noch nach einem heißen Bad und meinem Flanellnachthemd. Einen ganzen Monat lang. Oder ich würde es wie die Bären machen. Ja, das wäre eine gute Idee. Sich einrollen und schlafen bis zum Frühling.
    Manche Bilder gingen mir nicht aus dem Kopf. Das Opfer im Keller. Eine Socke, die von versengten, steifen Zehen baumelte. Eine Namenstafel auf einem winzigen Sarg. Ein Smiley-Aufkleber.
    »Brennan.«
    »Was ist?«
    »Guten Morgen, Sternenlicht. Die Erde sagt ›Hallo‹.«
    »Was ist?«
    »Sie sind zu Hause.«
    Ich hatte tief geschlafen.
    »Danke. Ich melde mich am Montag bei Ihnen.«
    Ich torkelte aus dem Auto und die Stufen hoch zu meinem Wohnblock. Eine dünne Schneeschicht bestäubte die Nachbarschaft wie Puderzucker einen Kuchen. Wo kam nur der ganze Schnee her?
    Meine Vorratslage hatte sich nicht gebessert, also aß ich Cracker mit Erdnußbutter und spülte sie mit Muschelsuppe aus der Dose hinunter. In der Speisekammer fand ich eine alte Packung Turtles, dunkle Schokolade, meine Lieblingssorte. Sie waren alt und hart, aber in meiner Lage konnte ich nicht wählerisch sein.
    Wenigstens das Bad war genau so, wie ich es mir erhofft hatte. Danach beschloß ich, ein Feuer im Kamin anzuzünden. Nun wurde mir endlich warm, doch ich war sehr müde und fühlte mich mutterseelenallein. Die Schokolade war ein kleiner Trost gewesen, aber ich brauchte mehr.
    Meine Tochter fehlte mir. Katys Studienjahr war in Viertel unterteilt, und meine Universität hatte ein Semester-System, deshalb fielen unsere Frühlingsferien nicht zusammen. Sogar Birdie war diesmal im Süden geblieben. Er haßte Flugzeuge und tat dies bei jedem Flug lautstark kund. Und da ich nur knapp zwei Wochen in Quebec bleiben würde, hatte ich beschlossen, sowohl der Katze als auch der Fluggesellschaft diese Tortur zu ersparen.
    Ich hielt das Streichholz an den Anzündwürfel. Feuer. Der Homo erectus war der erste gewesen, der es gezähmt hatte, und seit fast einer Million Jahren benutzten wir es schon zum Jagen und Kochen, um uns zu wärmen und die Welt zu erhellen. Das war meine letzte Lektion am Semesterende gewesen.
    Während ich nach Élisabeth Nicolet gesucht hatte, hatten meine Studenten über ihren Semesteraufgaben gebrütet. Morgen würden die kleinen blauen Hefte

Weitere Kostenlose Bücher