Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan
Schädelstücke. Sie hatten den Transport schadlos überstanden.
Ich füllte eine Fallkarte aus, zog den Reißverschluß des Leichensacks auf und zog das Tuch zurück, in dem Knochen und Kleinzeug eingeschlagen waren. Dann machte ich ein paar Polaroids und schickte alles zum Röntgen. Wenn Zähne oder Metallteile vorhanden waren, wollte ich ihre genaue Position wissen, bevor ich die Anordnung des Sackinhalts durcheinanderbrachte.
Während ich wartete, dachte ich an Élisabeth Nicolet. Ihr Sarg stand in einem Kühlfach nur gute drei Meter von mir entfernt. Ich war neugierig auf den Inhalt. Eine der Nachrichten von heute morgen stammte von Schwester Julienne. Auch die Nonnen waren ungeduldig.
Nach dreißig Minuten brachte Lisa die Knochen zurück und gab mir einen Umschlag mit Röntgenaufnahmen. Ich zog sie heraus und klemmte die Serie vom Fußende des Sacks auf den Sichtschirm.
»Sind sie okay?« fragte Lisa. »Bei all dem Schrott da drin wußte ich nicht so recht, welche Einstellung ich nehmen sollte, deshalb habe ich von jeder mehrere Belichtungen gemacht.«
»Sie sind gut.«
Vor uns sahen wir eine amorphe Masse, umgeben von zwei schmalen weißen Eisenbahnschienen: der Sackinhalt und die beiden Metallreißverschlüsse. Der Inhalt war gesprenkelt von Bauschutt, und hier und dort hoben sich Knochenfragmente bleich und wabenartig vom neutralen Hintergrund ab.
»Was ist das?« Lisa deutete auf etwas Weißes.
»Sieht aus wie ein Nagel.«
Ich klemmte drei neue Bilder auf den Schirm. Auch hier Erde, Kiesel, Holzteile und Nägel. Wir erkannten die Bein- und Hüftknochen mit anhängenden verkohlten Fleischresten. Das Becken schien intakt zu sein.
»Sieht aus wie Metallfragmente im rechten Femur«, sagte ich und deutete auf einige weiße Punkte im Oberschenkelknochen. »Da müssen wir beim Herausnehmen besonders aufpassen. Von dem machen wir später noch eine Aufnahme.«
Die nächsten Bilder zeigten, daß die Rippen so fragmentiert waren, wie ich sie in Erinnerung hatte. Die Armknochen waren besser erhalten, allerdings gebrochen und durcheinandergeworfen. Einige Wirbel machten einen verwertbaren Eindruck. Ein weiteres Metallteil war links des Brustkorbs zu erkennen. Es sah nicht aus wie ein Nagel.
»Auf das müssen wir auch aufpassen.«
Lisa nickte.
Als nächstes untersuchten wir die Röntgenbilder der Plastikbehälter. Sie zeigten nichts Ungewöhnliches. Der Kieferknochen hatte gut zusammengehalten, die schlanken Zahnwurzeln waren noch fest im Knochen verankert. Sogar die Kronen waren noch intakt. In zwei Backenzähnen sah ich helle Kleckse. Bergeron würde sich freuen. Falls es zahnärztliche Aufzeichnungen gab, wären die Füllungen für eine eindeutige Identifikation sehr nützlich.
Dann fiel mein Blick auf das Stirnbein. Es war gesprenkelt mit winzigen weißen Punkten, als hätte man es mit Salz gewürzt.
»Von dem brauche ich auch noch eine Aufnahme«, sagte ich leise und starrte die strahlendichten Partikel über der linken Augenhöhle an.
Lisa sah mich komisch an.
»Okay, dann wollen wir ihn rausholen«, sagte ich.
»Oder sie.«
»Oder sie.«
Lisa breitete ein Tuch über den Autopsietisch und stellte ein Sieb auf das Spülbecken. Ich zog eine Papierschürze aus einer der Edelstahlschubladen, zog sie mir über den Kopf und knotete sie im Rücken zu. Dann setzte ich mir eine Gesichtsmaske auf, streifte sterile Handschuhe über und öffnete den Leichensack.
Von den Füßen zum Kopf arbeitend, entfernte ich die größten und am einfachsten zu identifizierenden Gegenstände und Knochenteile. Dann kehrte ich zurück und suchte im verbliebenen Sackinhalt nach Kleinteilen und Knochenfragmenten, die mir beim ersten Mal entgangen waren. Lisa siebte jede Handvoll unter einem sanften Wasserstrahl. Sie wusch die Artefakte und legte sie auf die Anrichte, während ich die Skeletteile in anatomisch korrekter Anordnung auf dem Tuch plazierte.
Um zwölf Uhr ging Lisa in die Mittagspause. Ich arbeitete durch, und um vierzehn Uhr dreißig war der mühselige Prozeß abgeschlossen. Eine Sammlung aus Nägeln, Metallkappen und einer explodierten Patrone lag auf der Anrichte, neben einem kleinen Plastikfläschchen mit etwas, das ich für einen Stoffetzen hielt. Auf dem Tisch lag ein verkohltes und zerlegtes Skelett, die Schädelknochen aufgefächert wie die Blütenblätter eines Gänseblümchens.
Über eine Stunde brauchte ich, um ein Inventar zu erstellen, jeden Knochen zu identifizieren und zu bestimmen, von welcher
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