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Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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immer schwierig für mich. Als meine Tochter noch klein war, war ich bei jedem Kindermord in Versuchung, Katy an mich zu ketten, um sie immer in meiner Nähe zu haben. Ich mußte mir ihrer Sicherheit gewiß sein.
    Katy ist inzwischen erwachsen, aber noch immer schrecken mich Bilder toter Kinder. Von allen Opfern sind sie die wehrlosesten, die vertrauensseligsten und die unschuldigsten. Jedesmal, wenn ein neues in der Leichenhalle abgeliefert wird, gibt es mir einen Stich ins Herz. Die nackte Wahrheit entehrten Menschseins starrt mich an. Und Mitleid ist nur ein geringer Trost.
    Als ich in den Autopsiesaal zurückkehrte, glaubte ich auf das Bevorstehende gefaßt zu sein. Dann sah ich den kleinen Körper, der auf der Edelstahlplatte lag.
    Eine Puppe. Das war mein erster Eindruck. Ein lebensgroßes Latexbaby, mit den Jahren grau geworden. Als Kind hatte ich so eine Puppe gehabt, ein rosiges Neugeborenes, das süß nach Gummi roch. Ich fütterte es durch ein kleines, rundes Loch zwischen den Lippen und wechselte die Windeln, wenn das Wasser durchgelaufen war.
    Aber das hier war kein Spielzeug. Das Baby lag auf dem Bauch, die Arme seitlich, die winzigen Hände zu Fäustchen geballt. Der Hintern war plattgedrückt, weiße Streifen liefen kreuz und quer durch die blau-lividen Leichenflecken am Rücken. Ein feiner roter Flaum bedeckte den Kopf. Das Kleinkind war nackt bis auf ein Armband aus winzigen Klötzchen direkt am Handgelenk. Neben dem linken Schulterblatt sah ich zwei Wunden.
    Auf dem Nebentisch lag ein Strampelanzug, blaue und rote Lastwagen grinsten mir von dem Flanellstoff entgegen. Daneben lagen ausgebreitet eine beschmutzte Windel, ein Baumwolleibchen mit Druckknöpfen im Schritt, ein langärmeliger Pullover und ein Paar weiße Socken. Alles war blutfleckig.
    LaManche sprach in einen Kassettenrecorder.
    »Bébe de race blanche, bien développé et bien nourri…«
    Gut entwickelt und gut genährt, aber tot, dachte ich, und meine Empörung wuchs.
    »Le corps est bien préservé, avec une légère macération épidermique…«
    Ich starrte die kleine Leiche an. Ja, sie war gut erhalten, mit nur geringer Hautablösung an den Händen.
    »Ich schätze, nach Abwehrverletzungen brauchen wir nicht zu suchen.«
    Bertrand hatte sich neben mich gestellt. Ich sagte nichts. Für Leichenhallenhumor war ich nicht in Stimmung.
    »Da liegt noch eins im Kühlfach«, fuhr er fort.
    »Das wissen wir bereits«, erwiderte ich spitz.
    »Ja, aber mein Gott, das sind Babys.«
    Ich sah ihm in die Augen und bekam ein schlechtes Gewissen. Bertrand wollte überhaupt nicht witzig sein. Er sah aus, als wäre sein eigenes Kind gestorben.
    »Babys. Jemand hat sie umgebracht und in einem Keller verstaut. Kalt wie ein Eisblock. Schlimmer noch. Der Mistkerl kannte diese Kinder wahrscheinlich.«
    »Warum sagen Sie das?«
    »Würde einen Sinn ergeben. Zwei Kinder, zwei Erwachsene, die wahrscheinlich die Eltern sind. Jemand hat die ganze Familie ausgelöscht.«
    »Und das Haus nur als Tarnung angesteckt?«
    »Möglich.«
    »Hätte auch ein Fremder sein können.«
    »Möglich, aber ich bezweifle es. Warten Sie ab. Sie werden sehen.« Er wandte sich wieder dem Tisch zu und verfolgte mit hinter dem Rücken verkrampften Händen die Autopsie.
    LaManche hörte auf zu diktieren und sprach mit der Autopsietechnikerin. Lisa nahm ein Maßband von der Anrichte und hielt es an die Kinderleiche.
    »Cinquante-huit centimètres.« Achtundfünfzig Zentimeter.
    Ryan sah von der Tür aus zu. Er hatte die Arme verschränkt, mit dem rechten Daumen rieb er über den Tweed an seinem linken Bizeps. Hin und wieder sah ich seine Kiefermuskeln und seinen Adamsapfel hüpfen.
    Lisa spannte das Maßband um Kopf, Brust und Bauch des Babys und nannte LaManche die Maße. Dann hob sie die Leiche hoch und legte sie auf eine Waage. Normalerweise wird das Gerät zum Wiegen einzelner Organe verwendet. Der Korb schwang leicht hin und her, und sie stabilisierte ihn mit einer Hand. Das Bild war herzzerreißend. Ein lebloses Kind in einer Edelstahlkrippe.
    »Six kilos.«
    Sechs Kilo hatte das Kleine bei seinem Tod gewogen.
    LaManche sprach das Gewicht in den Recorder, und Lisa nahm den winzigen Körper aus der Schale und legte ihn wieder auf den Autopsietisch. Als sie zurücktrat, stockte mir der Atem. Ich sah Bertrand an, aber der starrte nun auf seine Schuhe.
    Die Leiche war die eines kleinen Jungen. Jetzt lag er auf dem Rücken, Arme und Beine ausgestreckt. Die Augen waren weit

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