Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)

schaue gleich bei ihm vorbei und klopfe an seine Tür.«
    Marino und Detective Sil Machado wohnen in West Cambridge in derselben Straße. Sie fahren auch zusammen Motorrad, boxen beide und trainieren im selben Studio. Offenbar haben sie sich gut miteinander angefreundet.
    »Toby hat mir gestern Abend nicht viel erzählt. Es war noch kaum etwas bekannt«, fügt Marino hinzu. »Das Opfer ist Alkoholiker. Hat anscheinend auf dem Weg zum Klo die falsche Tür erwischt und ist die Kellertreppe runtergepurzelt.«
    »Hoffentlich hat Luke den Alkoholpegel gemessen. Hast du mit Bryce gesprochen oder von ihm gehört?« Ich setze eine OP -Kappe auf.
    »Er ist gegen elf weg.« Marino mustert mich von Kopf bis Fuß. »Du solltest einen Overall anziehen, bevor du hier reinkommst«, verkündet er, als hätte ich von ihm eine Lektion in Sachen Hygiene nötig.
    »Was soll das heißen, er ist weg? Wohin?«
    »Er musste seine Katze zum Tierarzt bringen, offenbar ein Notfall. Er sagt, er hätte Steward schon Bescheid gegeben, dass wir gerade erst von einem Einsatz zurückgekommen sind. Offenbar hat der gerade den Zeugen im Kreuzverhör, der vor dir dran ist. Es läuft ziemlich zäh, und danach wird er um eine Pause bitten.« Marino greift nach einem zwanzig Zentimeter langen Plastiklineal und versieht es mit einem unbeschrifteten Aufkleber. »Allerdings würde ich dir nicht raten, dich darauf zu verlassen, dass das Dream-Team dieses Arschlochs dir Unpünktlichkeit durchgehen lassen wird.«
    Damit meint er Channing Lotts Verteidiger.
    »Dass ich zu spät komme, ist aber nicht zu verhindern«, entgegne ich. »Dan muss dem Richter mitteilen, dass ich im Moment mit Angelegenheiten beschäftigt bin, die sich leider meinem Einfluss entziehen.«
    »Wenn wir sofort losfahren, schaffst du es noch.«
    Ich stelle mir vor, wie ich in nassen Stiefeln und einem Isolieranzug für Taucher in den Gerichtssaal spaziere. Channing Lotts Anwälte würden sich die Hände reiben.
    »Haben wir eine Fallnummer?« Marino nimmt mehrere Markierstifte aus einer Schublade.
    Ich nenne sie ihm, woraufhin er sie und das Datum auf das Lineal schreibt, während ich einen Einweg-Laborkittel entfalte. Er raschelt, als ich ihn über den grauen Isolieranzug ziehe. Ich wünschte, ich könnte ihn eine Weile anbehalten, denn ich bin noch immer so durchgefroren, als sei mein Blut um einige Grad zu kalt.
    »Was hat Bryces Katze denn?«, erkundige ich mich. »Hoffentlich ist es nichts Schlimmes.«
    »Wenn du mich fragst, sind die Zwiebeln im Chili schuld, das es gestern Abend bei ihnen gab, und davon lasse ich mich nicht abbringen. Da kann Bryce noch so oft behaupten, dass sie mit Zwiebeln wirklich vorsichtig sind und immer aufpassen, dass auch kein Stückchen runterfällt oder in einer benutzten Schüssel zurückbleibt, wo die Katze es erwischen könnte. Ethan und er – der Obermessie und der Putzteufel.«
    »Woher weißt du eigentlich, was es gestern bei den beiden zum Abendessen gab?« Ich nehme Untersuchungshandschuhe aus einem Karton.
    »Bryce hat mir heute Morgen etwas von dem Chili mitgebracht. Ich habe es zum Frühstück gegessen und Zwiebeln herausgeschmeckt. Sobald ich das mit der Katze gehört habe, habe ich
Bingo
gesagt. Daran muss es liegen«, erwidert Marino. »Natürlich glaubt er, dass sie sich im Katzensalon irgendeinen Grippevirus eingefangen hat. Erbrechen und Durchfall.«
    »Und Ethan ist auch dabei?«
    »Verschon mich.« Er bückt sich, um einen Schrank zu öffnen, und holt einen großen Plastikbehälter heraus. »Keine Ahnung, warum sie das räudige Vieh gleich zu zweit zum Arzt begleiten müssen. Wie heißt es noch mal?
Indy Anna?
Ist es wirklich notwendig, dass sie es zusammen in die Praxis schleppen?«
    Schließen knacken laut, als Marino den Behälter öffnet und ihm eine Bogenlampe mit Xenonleuchte entnimmt.
    »So redet man nicht über das Haustier eines Menschen, der so nett war, dir in aller Herrgottsfrühe selbstgekochtes Chili mitzubringen. Ich brauche keine ALC .«
    Für eine alternierende Lichtquelle reicht die Zeit nicht. Außerdem würde ich sie in diesem Fall und bei dieser Leiche ohnehin nicht benutzen.
    »Nun, Ethan hätte die Katze einfach in einen verdammten Transportkorb stecken und sich selbst darum kümmern sollen.« Marino stellt die Lampe trotzdem auf die Arbeitsfläche und schließt sie an. »Er arbeitet doch meistens von zu Hause aus. Wo also ist das Problem?«
    »Muss ich daraus schließen, dass du deine Theorie, die Katze könnte