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Knochenbrecher (German Edition)

Knochenbrecher (German Edition)

Titel: Knochenbrecher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
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Buschs befreit hatte, den sein Besitzer noch vor dem Winter austauschen sollte, war der Schatten auf der anderen Seite des Deiches verschwunden. Immerhin stand nun außer Frage, dass es weder ein Hund noch eine Katze gewesen war, denn der Schatten hatte zwei Beine. Von der Deichkrone aus konnte Greven gerade noch sehen, wie er von einem Lichtkegel zum nächsten hüpfte, ohne von den Straßenlaternen wirklich erwischt zu werden. Ihm zu folgen, war sinnlos. Wenn überhaupt, so hatte Greven nur eine Chance, wenn er auf dem Deich zum Hafen lief, um dort mit etwas Glück auf seinen Verfolger zu treffen. Noch dazu konnte er versuchen, den Beamten zu mobilisieren, dem das Hexenhaus anvertraut war. Doch der war nicht auf den ersten Blick aufzuspüren, und rufen wollte ihn Greven auch nicht, um den Schatten nicht endgültig zu verscheuchen. Ohne sich weiter umzusehen, joggte er weiter auf der Deichkrone und erreichte wenig später mit bereits reduzierter Geschwindigkeit den Hafenkieker , in dem einige Gäste verzweifelt La Paloma grölten, als sei es das einzig verbliebene Seemannslied.
    Bei der Sielmauer, an der sein Abendspaziergang begonnen hatte, blieb er keuchend stehen, die Hände für einige Sekunden auf die Knie gestützt. Die Restaurants rund um den Marktplatz waren hell erleuchtet, die Straßen jedoch menschenleer. Nicht einmal ein Schatten huschte vorbei. Die Seevögel hatten ihr Konzert eingestellt, die Nachsaison den Ort übernommen. Eine Weile horchte Greven noch in die milde Nachtluft hinein, dann ging er, ab und zu einen Blick um sich werfend, zurück zum Wagen.

 
     
     
     
    13
    »Mona, wir müssen los!«
    »Eine Minute!«
    »Das sagst du seit zwanzig Minuten!«
    »Nur noch schnell aufs Klo!«
    »Das wäre die erste Beerdigung, auf die ich zu spät komme!«
    »Bin schon fertig«, erwiderte Mona und bearbeitete den Reißverschluss ihrer Jeans, während sie mit kleinen Schritten durch den Flur tippelte.
    »Deine Handtasche!«
    »Ja, ja, wir werden es schon noch schaffen!«
    Greven und Mona sprangen mehr zum Wagen, als zu laufen, einem weißen Passat Kombi mit stumpfem Lack, der farblich dem bevorstehenden Anlass nicht ganz gerecht wurde. Nach drei roten Ampeln hatten sie Aurich verlassen und rasten mit Tempo siebzig Richtung Georgsheil.
    »Versprichst du dir wirklich so viel von der Beerdigung?«
    »Was heißt versprechen? Ich folge einfach der alten kriminalistischen Binsenweisheit, dass sich mit etwas Glück auch der Mörder blicken lässt. Das ist mir in meiner Laufbahn zwar noch nicht passiert, aber man weiß ja nie.«
    »Genau das meinte ich«, antwortete Mona. »Es wird doch kein Mörder so blöd sein und auf die Beerdigung seines Opfers gehen.«
    »Ist alles schon vorgekommen.«
    »Fahr nicht so schnell! Du weißt, wie oft hier geblitzt wird.«
    »Jedenfalls sollte man sich die Chance nicht entgehen lassen«, fuhr Greven fort. »Es muss ja auch nicht immer gleich der Täter sein, auf den man trifft.«
    »Glaubst du etwa, dass dein geheimnisvoller Verfolger auftaucht? Du sollst nicht so schnell fahren!«
    »Hier ist längst hundert.«
    »Das weiß ich. Darum sag ich’s ja! Und wie willst du ihn wiedererkennen? An dem eleganten Aufsetzen seiner Sohlen auf dem Klinker?«
    »Mona, das weiß ich nicht. Vielleicht reichen mir seine Bewegungen. Die waren übrigens wirklich elegant«, verteidigte sich Greven und sah auf den Tacho. Ohne eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung würde es kaum noch möglich sein, rechtzeitig in Greetsiel einzutreffen. Noch dazu gab es in unmittelbarer Nähe der Kirche keine Parkplätze. Er nahm den Fuß vom Gas und visierte nun den Gang zum Friedhof an, der ohne Mühe zu schaffen war. Mona sank erleichtert in den Sitz und schloss für einen Augenblick ihre Augen.
    Sie warteten hinter dem kleinen, freistehenden Kirchturm. Als sich die Tür der Kirche öffnete und die Trauergemeinde den Fußweg zum etwa fünfhundert Meter entfernten Friedhof antrat, gelang es ihnen, sich unauffällig dem Zug anzuschließen. Greven schätzte die Teilnehmer an Tante Heddas letztem Gang auf über hundert, von denen er mehr als die Hälfte kannte, da kaum jüngere darunter waren. Auf dem Friedhof löste sich der schweigsam disziplinierte Zug in kleine Grüppchen auf, die sich in unterschiedlichen Abständen um das Grab platzierten. Direkt am Grab fanden sich nur der Pastor, zwei Frauen im fortgeschrittenen Alter, ein ebenfalls älterer Rollstuhlfahrer und ein schlanker Mann um die dreißig ein,

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