Knochenbrecher (German Edition)
Kommissar sein, der den Mord an meiner Tante untersucht«, sagte der Mann, dem die blauen Augen seiner Mutter ebenso fehlten wie deren Ausstrahlung. Dafür waren ihm seine dreißig Jahre dank seines vollen Haares und seines schmalen, jugendlichen Gesichtes nicht anzusehen. Seine Stimme klang so energisch, wie Greven es von einem Sportlehrer erwartete, dessen Kommandos Turnhallen und Sportplätze beherrschen mussten. »Falls ich Ihnen irgendwie helfen kann, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Ich hätte mich sowieso noch bei Ihnen gemeldet. Aber in den letzten Tagen … Das können Sie sich ja denken. Meine Mutter hat sich ja um nichts gekümmert. Die Freigabe der Leiche, die Beerdigung …« Noch immer drückte der kräftige Sportlehrer Grevens Hand und nahm nun sogar noch die zweite zu Hilfe. Seine weit geöffneten Augen und sein nicht ganz so weit geöffneter Mund verlangten nach einer Stellungnahme.
»Danke für das Angebot, das ich gerne annehme«, sagte Greven und versuchte, seine Hand zurückzugewinnen. »Sagen Sie mir zunächst, wer Ihre drei Begleiter sind.«
»Zwei Kusinen und ein Vetter meiner Tante … und meiner Mutter natürlich auch. Ich habe sie heute Vormittag aus Leer und Emden abgeholt und muss sie gleich auch wieder zurückfahren.«
»Demnach waren sich nur Ihre Mutter und Hedda nicht grün?«
»So kann man es auch ausdrücken. Aber Sie haben recht. Der Rest der Familie, die sehr klein ist, wie Sie sehen, hat über den ewigen Streit immer nur den Kopf geschüttelt.«
»Die Sache mit der vererbten Kraft.«
»So ein Schwachsinn, finden Sie nicht auch? Noch dazu ist meine Mutter fest davon überzeugt …«
»… dass Sie diese Kraft eines Tages erben werden.«
»Ich sehe, Sie waren schon bei ihr. Das hat Sie mir gar nicht erzählt. Typisch. Na, dann brauche ich Ihnen ja nicht mehr viel zu sagen«, stöhnte Klaus Bogena, als sei er bei irgendeiner frevelhaften Tat erwischt worden.
»Sie haben also mit Wunderheilerei …?«
»… rein gar nichts am Hut, das kann ich Ihnen sagen. Obwohl ich als Kind damit regelrecht gefüttert worden bin. Der schönste Tag meines Lebens war der, an dem ich mein Abiturzeugnis überreicht bekam. Kein gutes Zeugnis. Aber gut genug, um auszuziehen und Sport studieren zu können. Ich hatte von ihren magischen Händen die Nase so was von voll. Inzwischen lässt sie mich damit weitgehend in Ruhe. Nur ab und zu fragt sie mal nach den Kräften. Sie wissen schon.«
»Und das Verhältnis zu Ihrer Tante?«, nutzte Greven die Redseligkeit des smarten Sportlehrers.
»War immer ungetrübt. Und das nicht nur, weil sie mich mit dem ganzen Spuk verschont hat. Tante Hedda ist … war ein ganz anderer Mensch als meine Mutter. Warmherziger und bodenständiger, wenn Sie wissen, was ich meine. Die Überheblichkeit meiner Mutter dürfte Ihnen ja wohl kaum entgangen sein. Hedda war da ganz anders. Auf die habe ich mich immer verlassen können. Vor allem im Studium. Ohne ihre gefütterten Briefe hätte ich das nicht geschafft. Meine Mutter hat ja keinen Pfennig rausgerückt.«
»Was ist mit Ihrem Vater?«
»Als ich drei Jahre alt war, hat er die Reederei gewechselt, ist in Bremerhaven an Bord eines Frachters gegangen und hat sich für immer verabschiedet.«
Das Foyer füllte sich zusehends. Greven manövrierte Klaus Bogena in eine andere, ruhigere Ecke und sprach mit gedämpfter Stimme weiter: »Unseren Vermutungen nach muss Ihre Tante ein kleines Vermögen verdient haben. Bislang jedoch fehlt jede Spur von dem Geld. Ein Konto hat sie nie besessen. Können Sie uns da einen Tipp geben? Als einer der Erben haben Sie schließlich auch einen Anspruch darauf.«
»Ja, die hat nicht schlecht verdient«, schmunzelte der Lehrer. »Wie gesagt, mein Studium. Aber da kann ich Ihnen auch nicht weiterhelfen. Das Thema war bei ihr tabu. Darüber hat sich nie ein Wort verloren. Keine Ahnung, tut mir leid.«
Greven hatte noch eine letzte Frage, die er hübsch verpackte, um nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: »Etwas ganz anderes. Ich bin mir sicher, dass ich Sie schon einmal irgendwo gesehen habe. Die ganze Zeit überlege ich, wo das hätte sein könnte. Gehen Sie vielleicht ab und zu mal zu Meta ?«
»Ich schon«, lachte Bogena verhalten, »aber Sie bestimmt nicht, denn sonst würden wir uns wirklich kennen. Da bin ich nämlich Stammgast, seit ich sechzehn bin. Und was für einer. Warten Sie mal, ich kann Ihnen da was zeigen.«
Er zog seine Brieftasche aus dem Trenchcoat
Weitere Kostenlose Bücher