Knochenbrecher (German Edition)
preis.
Greven sackte auf dem Stuhl in sich zusammen: »Nein, bitte ersparen Sie mir das. Keine Verschwörungstheorie.«
»Das ist keine Verschwörungstheorie, das ist Verschwörungspraxis«, raunte der Wirt voller Überzeugung. »Was glauben Sie denn, warum die sich in letzter Zeit so oft in Aurich und Emden auf Tagungen getroffen haben? Doch nur, um die Pläne von diesem Weygand zu besprechen und in die Tat umzusetzen. In der Zeitung schreiben sie dann immer, es ginge um die Gesundheitsreform. Aber das ist eine Lüge. Es geht um uns. Diesen Weygand, den hat doch die Ärztekammer nur nach Ostfriesland geschickt, um hier klar Schiff zu machen mit der unliebsamen Konkurrenz.«
Greven trank den letzten Schluck Bier. Für diese Geschichte war er also von Marienhafe zurück nach Aurich gefahren, da Mona lieber hatte malen wollen, und dann quer durch Ostfriesland nach Utlandshörn gerast, um in der abgelegensten aller Kneipen eine zähe Stunde lang auf einen Informanten zu warten, der die ganze Zeit vor seiner Nase Gläser spülte, am Ende aber gar keine Informationen anzubieten hatte. Er schnaufte einmal tief durch und sah Hoogestraat in die leuchtenden Augen: »Haben Sie einen Aquavit für mich?«
»Selbstverständlich!«, antwortete der Wirt, sprang fast von seinem Stuhl auf und kehrt gleich darauf mit einer eisgekühlten Flasche und zwei Gläsern zurück, die er umgehend und ohne Rücksicht auf den Eichstrich füllte. »Prost!«
»Prost«, wiederholte Greven und schloss während des Trinkens die Augen. Der Schnaps hatte zwar keine Zimmertemperatur, wie in Norwegen üblich, das Kümmelaroma war dennoch sehr ausgeprägt. »Sie sind also auch ein Knochenbrecher?«
»Das kann man so nicht sagen. Ich arbeite als Zuhörer und Lebensberater, wenn Sie sich darunter etwas vorstellen können«, erklärte der Wirt nicht ohne Stolz. »Ich habe für alle Menschen ein offenes Ohr, die Sorgen haben, und helfe ihnen, ihre Probleme zu lösen.«
»Also eine Art Psychologe?«
»So könnte man das ausdrücken, nur dass ich eben meine eigenen Methoden entwickelt habe. Methoden, die sich sehr bewährt haben, das können Sie mir glauben. Das mache ich nun schon seit gut dreißig Jahren.«
»Ihre Nebentätigkeit in allen Ehren, Herr Hoogestraat«, sagte Greven mit mühsamer Freundlichkeit, »aber haben Sie denn auch Beweise für Ihre Behauptung?«
»Sind Ihnen die beiden Morde und der Anschlag auf Herrn Cassens nicht genug? Wenn Ihnen das wirklich noch nicht ausreicht, dann gehen Sie doch mal auf eine der Veranstaltungen, die Dr. Weygand überall durchführt. Ich bin da gewesen und habe mir seine Hasspredigt angehört. Der hält jeden, der nicht Medizin studiert hat, für einen Schwachkopf und jeden Knochenbrecher für einen Giftmörder, der zur Strecke gebracht werden muss. Und genau das tun er und seine studierten Kollegen. Genau das! Wir waren den Schulmedizinern schon immer ein Dorn im Auge. Jetzt, wo immer deutlicher wird, dass sie mit ihrer Wissenschaft am Ende sind, haben sie beschlossen, uns ein für alle Mal aus dem Weg zu räumen.«
Schweißperlen wuchsen auf Hoogestraats Stirn. Seine Augenlider zitterten, seine Augen erwarteten eine Antwort, nach der Greven intensiv suchte.
»Nehmen wir einmal an, es wäre so«, begann Greven vorsichtig, das leere Kümmelglas zwischen Daumen und Zeigefinger hin- und herdrehend, »haben Sie noch weitere Beweise, etwas Handfestes, das ich einem Richter vorlegen könnte?«
»Gehen Sie zu Dr. Weygand oder auf eine Ärztetagung. Da werden Sie finden, was Sie brauchen. Schleichen Sie sich da ein und nehmen Sie den ganzen Laden hoch. Sie lassen sich nicht einschüchtern, haben mir meine Freunde erzählt. Also los. Aber halten Sie mich da raus, sonst bin ich der Nächste auf der Todesliste. Möchten Sie noch einen?«
Greven zögerte, winkte dann aber doch ab: »Nein danke, ich muss noch zurück nach Aurich.«
»Um die Sache endlich richtig in die Hand zu nehmen! Sie wissen ja jetzt, worum es geht!«
»Keine Sorge, den Mörder von Tante Hedda und ihrer Schwester werde ich nicht entwischen lassen.«
»Das ist ein Wort!«, freute sich der Wirt und füllte sein Glas.
»Was bin ich Ihnen schuldig?«
»Sie sind natürlich mein Gast gewesen, schließlich hatte ich Sie schriftlich eingeladen.«
»So gesehen …«, sagte Greven und stand auf. Hoogestraat erhob sich ebenfalls und schüttelte kräftig seine Hand.
»Sie sind der Richtige. Decken Sie diese Verschwörung auf. Es wird höchste
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