Knochenbrecher (German Edition)
Vorgehen variieren muss, um uns die Arbeit so schwer wie möglich zu machen. Was ihm ja auch gelungen ist.«
Greven setzte sich auf die Kante seines Schreibtisches, während Härings Finger eigenmächtig auf der Tastatur zu agieren schienen, denn sein Kollege sah ihm in die Augen.
»Gut, da ich nichts Besseres anzubieten habe, ziehen wir diese Möglichkeit in Betracht«, sagte Greven. »Und da du offensichtlich viel Energie in deine Idee investiert hast, kannst du mir sicher auch sagen, wie wir diesem oder den Unbekannten auf die Spur kommen.«
Härings angehobene Mundwinkel sackten nach unten, die Finger ließen von den Tasten ab.
»Was ist mit deinem geliebten Internet?«, hakte Greven nach.
»Das kannst du leider vergessen. Egal was du eingibst, unter …«, Häring fand wieder zu den Tasten und konzentrierte sich kurz auf den Monitor, »… 318.000 Treffern ist da nichts zu machen. Okay, man könnte die ersten 3000 durchsehen, aber auch das …«
»Schon verstanden«, unterbrach ihn Greven. »Das bedeutet, wir hätten ein weiteres Motiv, treten aber trotzdem auf der Stelle, weil keine der Spuren heiß genug ist. Wir müssen also abwarten, bis der große Unbekannte erneut zuschlägt.«
Diesmal war es Häring, der nickte: »Tut mir leid, Gerd, aber mehr kann ich dir nicht bieten.«
Greven war gerade dabei, einen weiterführenden Gedanken zu formulieren, als sich das Telefon meldete.
»Der nächste Mord oder der nächste Knochenbrecher«, stöhnte Greven. »Gehst du bitte ran?«
»Aber nur, weil ich gerade hänge«, antwortete Häring, schob den Klapprechner von sich und griff zum Hörer. »Nein, der Kollege Greven telefoniert gerade auf der anderen Leitung. Sobald er fertig ist, schicke ich ihn rauf, Frau Dr. Wilms.«
Mit diesem Anruf hatte Greven schon seit ein paar Tagen gerechnet. Anscheinend hatte der Staatsanwältin ein passender Aufhänger gefehlt, der ihr nun zur Verfügung stand.
»Ein Walter Wiebrands hat vor einer halben Stunde oben angerufen und sich über uns beschwert. Du sollst umgehend antreten«, sagte Häring.
»Also doch der nächste Knochenbrecher«, brummte Greven. »Danke, dass du mir ein paar Minuten verschafft hast. Ich werde sehen, was ich zusammenbasteln kann.«
»Viel Glück!«
Der Wunsch seines Kollegen ging nicht in Erfüllung. Schon beim Eintreten registrierte Greven die schlechte Laune der Staatsanwältin, die nicht untypisch für sie war. Vielleicht war dies nicht einmal ein Klischee, sondern schlicht eine charakterliche Grundvoraussetzung für den Beruf. Ihr Vorgänger hatte die schlechte Laune ebenso gekonnt zelebriert. Dr. Wilms verzichtete auf jegliches Vorspiel, sondern kam umgehend zur Sache.
»Klären Sie mich doch bitte kurz über den Stand Ihrer Ermittlungen in den Fällen Bogena auf.«
Mit keiner anderen Frage hatte Greven gerechnet. Also begann er damit, die auf dem Gang zurechtgelegten Erklärungen vorzutragen. Auf die Erwähnung von Härings These verzichtete er jedoch. Die Staatsanwältin, wie immer im Kostüm und mit perfekt sitzender Frisur, hörte ihm zu, ohne ihn zu unterbrechen. Greven fand sie durchaus attraktiv und hatte sich schon öfter gefragt, ob und wie sich ihr Verhalten nach Dienstschluss ändern würde.
21
Der tägliche Gang zur Waage war erneut erfolglos verlaufen. Greven hielt sein Gewicht, als würde er noch immer so leben wie vor dem großen Blutbild. Lediglich ein Pfund hatte er dank Monas Gesundheitsprogramm verloren, während Mona fast drei Kilo eingebüßt hatte. Also hatte Mona das Programm leicht verschärft und ihm täglich fünfundvierzig Minuten bei Stufe drei verordnet. Greven hatte unter der Voraussetzung zugestimmt, dass er im Wohnzimmer in die Pedale treten durfte. So konnte er während seiner Fahrradtour wenigstens Musik hören. Dafür musste er das schwere Gerät, das er vor gar nicht langer Zeit in sein Arbeitszimmer gewuchtet hatte, damit es niemand zu Gesicht bekam, wieder nach unten tragen. Diese Aktion hätte ihm schon als Übung zur Leibeserziehung gereicht, wie sein alter Sportlehrer es noch formuliert hatte. Doch Mona warf ihm aus dem Atelier einen Blick zu, der ihn aufsitzen ließ.
Für die vor ihm liegende Wegstrecke hatte er Miles Davis, Live at Filmore, ausgewählt, und zwar die erste Plattenseite, die nur ein Stück enthielt: Wednesday Miles . Das war der ideale Rhythmus für ihn, der ihn schon bald vergessen ließ, wo er saß und was er tat. Seine Beine fingen an, sich von alleine zu
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