Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Lahmer
Vom Netzwerk:
hatte offensichtlich noch nicht die richtige Antwort gehört.
    »Das Verstecken der Finger sicherte Ihnen schon einmal Aufmerksamkeit. Da konnten Sie sicher sein, dass Sie ein recht großes Publikum haben werden. Damit es dann am Ende, wenn Sie das Finale veranstalten, auch wirklich genug Menschen mitbekommen.«
    Er lachte auf. »Schade, dass Sie hier unten keine Zeitungen lesen können und keinen Fernseher haben! Sie hätten Ihre wahre Freude daran. Jeden Tag gibt es neue Meldungen über die Unfähigkeit der Polizei, die den bösen Fingerschneider nicht fassen kann. Andere Stimmen spekulieren darüber, was das wohl für Menschen sind, die Geocaching machen. Sind diese Geocacher denn nicht selbst schuld, dass ihnen jetzt so etwas passiert? Warum verteilen sie auch Frischhaltedosen im Wald, das lädt doch zu Schweinereien ein. Und wenn man in diese Mixtur auch noch die Verrohung der Gesellschaft und den Ruf nach konservativen Werten packt, hat man schnell eine schöne Melange aus Weltuntergangsstimmung und dem Zerfall der abendländischen Kultur.« Er gab ein hämisches Lachen von sich. »Die ganze Geschichte zeigt langsam Wirkung: Die meisten Menschen wenden sich vom Geocaching ab, finden es gefährlich oder hirnrissig. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird es wieder so wie früher sein. Dann gibt es nur noch wenige Eingeweihte, die an dieser schönen Sportart teilnehmen und eine kleine, verschworene Gemeinschaft bilden werden. Und ich werde ein Teil dieser Gemeinschaft sein. Nein, man wird mich als ihr Retter ansehen – vielleicht werde ich sogar der Gründer einer neuen Form des Geocachings. Sie werden mir dankbar sein, dass ich sie vom Joch der einfallslosen Masse befreit habe.«
    Was er da sagte, klang absolut irre. Sah er denn nicht, dass sein Vorhaben zum Scheitern verurteilt war? »Aber Ihr Plan kann doch gar nicht funktionieren!«, entgegnete Natascha. »Entweder bleiben Sie unentdeckt, dann kann Sie niemand rühmen. Oder Sie werden erwischt und landen im Knast. Aber dann huldigt Sie niemand als Retter des Geocachings, sondern sieht in Ihnen genau das, was Sie auch sind: ein Verbrecher. Und vielleicht sogar ein Mörder!«
    Ihre Stimme war bei den letzten Worten lauter geworden, doch das beeindruckte ihn offensichtlich nicht. Doch sie musste vorsichtiger sein; wenn sie ihn reizte, würde er möglicherweise unkontrolliert handeln. Und dann war ihm alles zuzutrauen. Schließlich hatte er im Moment alle Vorteile auf seiner Seite. Also schaute sie ihn wieder brav und ängstlich an.
    »Eine schöne Rede, Frau Kommissarin. Aber in Ihren Überlegungen verbirgt sich ein Fehler. Ich werde mich selbstverständlich nicht erwischen lassen. Ein bisschen mehr Vertrauen in meine Fähigkeiten wünsche ich mir von Ihnen schon. Natürlich habe ich einen Plan, wie ich mich den juristischen Folgen entziehen und trotzdem Nutznießer meines Erfolges sein kann.«
    Er musterte sie von oben bis unten. Natascha fühlte sich, als zöge er sie mit seinen Blicken aus.
    »Aber Sie müssen auch verstehen, dass ich Ihnen meinen Plan nicht verraten werde. Nur so viel: Die deutschen Behörden, allen voran Ihre popeligen Kollegen, werden sich nicht damit befassen müssen.«
    Wieder starrte er sie mit diesem merkwürdigen Blick an. Natascha schluckte schwer. Was würde sie machen, wenn er sie jetzt anfasste? Dass sie mit ihren Kampftechniken gegen ihn nichts ausrichten konnte, hatte sie schon bei ihrer Entführung feststellen müssen. Außerdem war sie noch immer auf diese seltsame Weise gefesselt. Sie hatte überhaupt keine Chance gegen ihn – eine Erkenntnis, die sie wie ein Hammerschlag traf.
    Sie musste ihn dazu bringen, dass er weiter mit ihr redete. Solange er über seine vermeintliche Genialität schwafelte, würde er sie hoffentlich nicht anrühren. Und sie musste sich dringend irgendeinen Plan zurechtlegen, wie sie ihn überwältigen und anschließend fliehen konnte.
    Natascha schloss die Augen und schluckte. Welch absurde Gedanken. Ihre Chancen standen denkbar schlecht, und das wusste sie nur zu gut.

Kapitel 58
    Winterberg saß auf einem Holzstoß am Rande des Waldweges und blickte auf die leere Hütte. Sie stand offen; die Strahlen der Mittagssonne drangen durch das Fichtengeäst und beleuchteten das dunkle Dach. Steinhaus hatte am anderen Ende des Holzstoßes Platz genommen, als wollte er einen Sicherheitsabstand zu ihm einhalten.
    Winterberg hatte das Gefühl, das Handy in seiner Hand wöge mehrere Kilogramm, und ihm schien,

Weitere Kostenlose Bücher