Knochenfinder
Kollegen hatte sie jedoch nur wenig darüber gehört, woraus sie schloss, dass der Vorfall nur eine geringe Bedeutung besaß.
»Ihr bearbeitet diesen Fall, oder? Wisst ihr denn mittlerweile, von welchem Tier dieser Knochen mit dem verwesenden Fleisch stammt?«
Simon zuckte mit den Schultern. »Mein Team ist mit den Vorbereitungen für das Sommerfestival beschäftigt«, seufzte er. »Ich saß die meiste Zeit in irgendwelchen Treffen mit dem Bürgermeister oder dem Veranstalter, um das Sicherheitskonzept durchzugehen. Deshalb weiß ich eigentlich gar nicht so viel über diesen Fund.«
Nataschas Blick fiel auf die Cafetiere, und sie entschied, dass der Kaffee nun lange genug gezogen hatte. Langsam drückte sie den Stempel mit dem Filter nach unten, um den Kaffeesatz vom fertigen Getränk zu trennen. Dann nahm sie zwei Tassen und goss Kaffee in sie hinein.
»Aber du willst mehr darüber herausfinden?«, fragte sie vorsichtig und reichte Simon eine Tasse. Als sie ihm die Milch anbot, machte er eine abwehrende Handbewegung.
»Ich dachte mir, dass wir vielleicht einfach mal eine Runde drehen könnten. Falls du Lust hast.«
Natascha starrte ihn an. »Du willst also tatsächlich mit mir in den Wald gehen, um versteckte Knochen zu suchen? Willst du so deine Freizeit mit mir verbringen – das ist nicht dein Ernst!«
»Nein!« Simon stellte seine Tasse auf den Tisch. »Natürlich nicht. Aber ich glaube, du hast ein völlig falsches Bild vom Cachen.«
»Da bin ich aber gespannt, wie du das geraderücken möchtest. Für mich klingt das sehr suspekt. Die Suche nach diesen Dosen stelle ich mir noch einigermaßen interessant vor – aber warum versteckt jemand einen Tierknochen darin, an dem überdies noch verwesendes Fleisch hängt? Ich will auch lieber nicht wissen, was für ein armes Tier dafür geopfert wurde. Das ist doch pervers!«
Natascha lief eine Gänsehaut über die Arme, und sie sah verstohlen nach Fritz. Doch der lag auf seinem Stammplatz auf der Fensterbank und hatte sich zum Dösen eingerollt. Gut, dass ihm hier in der Wohnung keine Gefahr drohte.
»Natürlich wird in Richtung Tierschändung ermittelt.« Simon nahm noch einen Schluck Kaffee. »Außerdem haben die Kollegen von einem weiteren Fund erzählt. Ich weiß nicht, ob du davon schon gehört hast.«
Natascha schüttelte entsetzt den Kopf. »Das wusste ich nicht. Jetzt wundert es mich noch mehr, dass du mit mir privat auf Tierschänderjagd gehen möchtest. Warum schließt du dich nicht den Kollegen an, die sich offiziell darum kümmern? Was erwartest du dir überhaupt von so einer Aktion? Stell dir vor, wir finden ebenfalls einen Knochen – was machst du dann? Ich verstehe dich nicht.«
Simon stand auf und ging zu seinem Rucksack im Flur. Natascha hörte ihn rascheln, dann kam er zurück und setzte sich wieder an den Tresen. In der Hand hielt er ein GPS-Gerät, das er nun vor sie hinlegte.
»Das hab ich von meinem Onkel ausgeliehen. Der geht schon seit ein paar Jahren zum Cachen. Als ich ihn auf die Knochenfunde angesprochen habe, hat er mir versichert, dass er noch nie von etwas Vergleichbarem gehört hat. Normalerweise liegt da harmloses Zeug in den Dosen. Schlüsselanhänger zum Beispiel oder ein Satz Tafelkreide für die Kinder.«
»Und was sagt er zu den gefundenen Knochen?«, fragte Natascha.
Simon nahm das GPS-Gerät wieder an sich und schaltete es ein. »Na ja, wie die anderen Cacher regt er sich natürlich sehr darüber auf. Es ist wirklich eine Sauerei, was da passiert ist. Mein Onkel hat jedenfalls erst mal keine Lust mehr, neue Caches zu suchen. Er will abwarten, bis der Tierquäler aus dem Verkehr gezogen ist, sagt er. Deshalb hat er mir auch sein Gerät geliehen. Normalerweise ist er ständig unterwegs und braucht es selbst. Aber jetzt ...«
»Ach, und jetzt möchtest du einen auf Privatdetektiv machen, und ich soll deine Assistentin mimen, oder wie?« Natascha war enttäuscht. Der Abend begann so völlig anders, als sie ihn sich ausgemalt hatte. An einen romantischen Spaziergang am See hatte sie gedacht – und an atemberaubende Panoramen. Und jetzt wollte Simon mit ihr nach Knochen suchen, an denen übelriechendes, verwesendes Fleisch hing. Sie merkte, wie sie innerlich auf Abstand zu Simon ging.
Er seufzte und zeigte eine zerknirschte Miene. »Nein. Ich möchte einfach gern mit dir spazieren gehen und dir etwas von der Gegend zeigen. Ich dachte nur, dass dir das vielleicht zu langweilig wäre; dass ich dir mehr bieten sollte als
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